Es fehlt an der Basis

Steinturm
Quelle: https://pixabay.com/de/zen-stabilität-gleichgewicht-stein-3113245/ 22.05.2018

Vor einigen Tagen habe ich mit einer Mutter über pädagogische Mängel philosophiert. Wir kamen überein, dass es oft an grundlegenden Dingen mangelt. Viel zu oft wird unseren Kindern kein Gefühl der gemeinschaftlichen Existenz vermittelt und in einer Gesellschaft, in der die Individuen den Bezug zu sich selbst verlieren, wird kein Augenmerk mehr auf eigentlich selbstverständliche Zusammenhänge gelegt. Später wundern wir uns darüber, dass es systemisch krankt. Dabei sind wir der Fehler im System.

Den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen

Wann war das letzte Mal, als ihr in der Fußgängerzone die Augen geöffnet habt? Fällt nur mir auf, dass der Anteil übergewichtiger Kinder in den letzten Jahren angestiegen ist? Man verlernt, sich gesund zu ernähren und sich ausreichend zu bewegen. Dafür wird das neueste Smartphone mit Stolz aus der Tasche gezogen. Ich möchte nicht falsch verstanden werden! Die „neuen“ Technologien müssen im Unterricht Einzug halten, um das ungenützte Potenzial freizusetzen. Die Kleinsten sollen beispielsweise einen unvoreingenommenen Umgang mit Coding haben.

Aber es darf nicht auf die Basis vergessen werden. Natürlich fängt das damit an, dass die Kinder im Kindergarten ihr Essen selbst zubereiten. Danach wird dieser Prozess mit der Frage fortgesetzt, ob der Bewegung im aktuellen Schulsystem genügend Platz eingeräumt wird. Bei der rückläufigen Zahl der Turnstunden pro Woche in den letzten Jahrzehnten darf das bezweifelt werden. Damit wird eine Generation an Jugendlichen erzogen, die den Bezug zur Nahrung und der Bewegung verloren und mit Gewichtsproblemen zu kämpfen hat. Die Folgekosten für unser Gesundheitssystem sind evident.

Eine Gemeinschaft ohne „Wir“

Vielleicht sehe ich die Realität schwärzer als andere, aber die Tendenz scheint in meinen Augen in Richtung der Erziehung egoistischer Narzissten zu gehen. Oder täuscht dieser Eindruck? Das Gemeinsame steht systemisch nicht mehr vor dem Trennenden. Wenn ich mich mit Eltern, deren Kinder eine Krippe besuchen, unterhalte, berichten mir einige, dass kaum noch gemeinsame Spiele unternommen werden oder die Wichtigkeit gemeinsamer Aktivitäten im Vordergrund steht. Gerade in einer Gesellschaft, die durch abnehmende Solidarität gekennzeichnet ist, wäre die Vermittlung eines Gefühls der Gemeinsamkeit besonders wichtig. Das scheint teilweise verloren zu gehen.

Schematische Darstellung einer Gesellschaft
Quelle: https://pixabay.com/de/menschenmenge-menschen-silhouetten-2045498/ 22.05.2018

Später im Berufsleben geben Unternehmen Unsummen für Teambuilding-Maßnahmen ihrer Mitarbeiter aus. Paradox, oder? All diese Entwicklungen und Tendenzen können wie folgt zusammengefasst werden: Als Gesellschaft geht uns vermehrt das „Wir“ verloren. Das ist nicht kulturell eingegrenzt, sondern ein Abbild der auf die Außenwirkung fokussierten Selfie-Gesellschaft. Vielleicht ist diese Haltung zu idealistisch in einer Zeit, die keinen Idealismus mehr zu vertragen scheint. Aber in der Bildung geht es nicht nur um die Schulung des Individuums selbst, sondern auch um die Schaffung eines gesunden Fundaments für unsere Gesellschaft.

Wer hohe Türme bauen will …

… muss lange beim Fundament verweilen (Anton Bruckner, 1824-1896). Dieser Satz gilt nicht nur für jede/n Einzelne/n, sondern auch für uns als Kollektiv. Spüre ich, dass eine persönliche Veränderung bevorsteht, kehre ich zu den Grundlagen, die meine Persönlichkeit ausmachen, zurück. Möglicherweise, oder sogar sehr wahrscheinlich, trifft das auch auf das Bildungssystem zu. Dass es jede/r von uns verändern und verbessern möchte, steht außer Streit. Aber vielleicht lohnt der Blick auf die wesentlichen Grundlagen der Bildung und Erziehung …