Als Eltern wollen wir nur das Beste für unsere Kinder. Als Mitglieder einer Gesellschaft, die unter einem massiven Vertrauensverlust leidet, wissen wir oft nicht, was gut und was schädlich ist. In der Hoffnung, Antworten zu finden und Ängste zu reduzieren, hören wir oft auf selbsternannte ExpertInnen. Aber manchmal genügt der gesunde Hausverstand und ein wenig Recherche. Heute möchte ich vier Vorurteile in die ewigen Jagdgründe schicken.
1. W-LAN ist schädlich für die Gesundheit
Eines vorweg: Jede Form der elektromagnetischen Strahlung ist suboptimal. Könnte ich es mir aussuchen, wären mir Geräte ohne diese Strahlung lieber. Aber nachdem das unmöglich ist, geht es um die entsprechenden Relationen. Die Strahlenbelastung elektromagnetischer Geräte wird in der Einheit SAR (= Spezifische Absorptionsrate; Anm.) angegeben. Der SAR Wert handelsüblicher W-LAN Router liegt zwischen 0,1 und 0,3. Smartphones wie das iPhone liegen typenabhängig bei einem Wert von 0,9 und höher.
Wenn sich also das Handy in der Hosentasche, dem Bankfach oder der Tasche befindet, ist die Aufregung über W-LAN heuchlerisch und verlogen. Übrigens liegen die Werte des Haarföns und der Mikrowelle wesentlich höher. Im Anschluss an diesen Artikel habe ich zwei interessante Links angefügt. Einerseits werden hier die SAR Werte der verschiedenen iPhone-Modelle dargestellt, andererseits habe ich eine sehr informative Broschüre des Bundesamtes für Strahlenschutz gefunden.
2. Der Computer verblödet die Kinder
Gegen dieses Vorurteil kämpfe ich an, seitdem ich in der Bildung aktiv bin. Dabei geht es immer nur darum, wie der Computer im Unterricht eingesetzt wird. An dieser Stelle fällt mir eine Analogie zum Bergsteigen ein: Wenn eine Person auf den Berg geht und abstürzt, liegt es vermutlich nicht am Berg. Wenn eine Lehrkraft nicht weiß, wie sie den Computer einsetzt, liegt es nicht am Computer. Es geht um die Mischung aller vorhandenen Möglichkeiten. Beispielsweise spricht nichts dagegen, die SchülerInnen 20 Minuten elektronisch recherchieren und anschließend eine handschriftlichen Aufsatz (so viel zum Vorurteil, wir würden das Schreiben verlernen; Anm.) verfassen zu lassen - oder umgekehrt. Übrigens spielen die Kinder mit den Geräten nur, wenn sie gelangweilt sind. Aber mit „analogen“ Mitteln haben wir das auch schon in meiner Schulzeit gemacht.
3. SchülerInnen-zentriert bedeutet Chaos
Sieht der Unterricht anders aus, wenn die SchülerInnen im Zentrum stehen, statt die Wissensvermittlung durch die Lehrkraft? Ja! Ist der Unterricht deshalb weniger effektiv? Definitiv nicht! Die SchülerInnen stellen ihre eigenen Abläufe zusammen und ziehen schneller fächerübergreifende Querverbindungen. Zwar dauert es etwas länger, bis effektive Strukturen gefunden werden, dafür ist der Lernprozess nachher effektiver, nachhaltiger und wesentlich schneller.
4. Die Noten bereiten auf die Leistungsgesellschaft vor
Dieses Vorurteil hält sich hartnäckig und ist besonders verbreitet, sogar bei der aktuellen Bundesregierung. Noten stellen lediglich dar, ob ein/e SchülerIn, den vorgetragenen Stoff in einer fremdbestimmten Struktur und Zeit wiedergeben kann. Ob das Gelernte tatsächlich verstanden wurde oder in einem anderen Setting angewandt werden kann, wird nicht erfragt. Auch, ob Querverbindungen hergestellt werden können, ist nicht Gegenstand der Notengebung. Wir Erwachsenen müssen auch täglich unser Wissen in einem anderen Setting mit neu gebildeten Querverbindungen in interdisziplinären Teams anwenden. Und Noten bekommen wir nie - aber hoffentlich Geld.
Zum Nachdenken …
Von unseren Kindern wünschen wir uns einen kritischen und unvoreingenommenen Umgang mit bestehenden Herausforderungen. Aber Gleiches sollte auch für uns gelten. Heute habe ich hoffentlich dazu beigetragen, vier weit verbreitete Vorurteile in der Bildung nachhaltig verschwinden zu lassen …