Stigmatisierte Menschen laufen ihr gesamtes Leben gegen die Mühlen gesellschaftlicher Systeme. Oft scheitern sie beim Versuch, systemische Hürden zu überwinden und an der „Schubladisierung“ ihrer Mitmenschen. Im Bildungssystem sollten wir gesellschaftliche Stereotypen aufbrechen, statt die SchülerInnen weiter zu brandmarken. Der Vorstoß, spezielle Deutschklassen für jene Kinder einzuführen, die der Sprache nicht entsprechend mächtig sind, ist hier kontraproduktiv.
Gut gemeint ist das Gegenteil von gut
Es ist unbestritten, dass viele Kinder über keine ausreichenden Deutschkenntnisse verfügen, um dem Unterrichtsgeschehen zu folgen. Weiters leuchtet ein, dass es sich hierbei um ein entscheidendes Hindernis bei der Integration handelt. Nachteile in der weiteren Karriere sind damit besonders auf dem Arbeitsmarkt vorprogrammiert. Daher sollten mehr Mittel für integrative Maßnahmen aufgewendet werden. Dass diese ab dem Jahr 2019 halbiert werden, hilft wenig.
Offenbar sollen die geplanten Deutschförderklassen diese Initiativen ablösen. Allerdings ist das Lernen ein sozialer Prozess, bei dem die SchülerInnen sehr viel voneinander lernen. Was lernen Kinder von ihren KollegInnen, die ebenso dürftige Leistungen erbringen? Sie wären schlecht, hätten wenig Perspektive und sind unterprivilegiert. Außer man hat das Bildungsverständnis der industriellen Revolution, bei dem die Köpfe der SchülerInnen von der Lehrkraft gefüllt werden, hat das mit Bildung wenig zu tun.
Keine ideologische Kritik
Die von mir formulierte Kritik ist nicht ideologisch motiviert. Jedem, der das behauptet, lege ich eine intensive Auseinandersetzung mit pädagogischen Konzepten nahe. Mir geht es um ein kohärentes Bildungskonzept der Zukunft. Schwächen zu isolieren und zu glauben, dadurch könnten sie zielführender bearbeitet werden, ist ein antiquiertes Verständnis. Wenn die Interessen der Kinder im Vordergrund stehen, wird es Zeit für eine sachliche Diskussion fernab ideologischer Gräben.
Politik und Bildung
Könnten wir endlich damit aufhören, Kinder über unsere ideologischen Gräben springen zu lassen? Wäre eine sachliche Debatte über die Ziele der Bildung möglich? Vielleicht entspringt mein individueller Frust über die Bildung genau aus dieser ideologischen Zerrissenheit, entlang derer innovative Initiativen wie Papierschnipsel aus dem Schredder der Politik wirken. Mit Verstand betrachtet, kommen mir beim Blick auf unser Bildungssystem die Tränen …