Bisher habe ich die These vertreten, dass der Bildung im politischen Diskurs nicht jene Aufmerksamkeit und Wichtigkeit zuteil wird, die ihr eigentlich zustünde. Wo ist der Aufschrei in der Gesellschaft, wenn die Mittel für Integration in der Bildung ab 2019 halbiert werden? Denken wir tatsächlich so kurzfristig, dass das Langzeitziel „Bildung“ auf die lange Bank geschoben wird? Dafür mag es mehrere Gründe geben.
1. Die „Was-für-mich-gut-war-Illusion“
Zunächst fühlen sich bei diesem Thema nur jene angesprochen, die selbst zumindest ein Kind haben, obgleich der qualitative Fortbestand unserer Gesellschaft im Sinne aller sein sollte. Weiters obliegen wir Eltern einer fundamentalen Illusion: Wir glauben, dass etwas für unsere Kinder gut sein muss, weil es das für uns auch war. An dieser Stelle sei mir ein Schocker erlaubt: Leider stimmt das mitnichten. Unsere Kinder finden eine andere Welt, andere Herausforderungen, kompliziertere Verflechtungen, mehr Kommunikationsmöglichkeiten und eine andere Gesellschaft vor. Diese Illusion kann also nicht aufrecht erhalten werden.
2. Bevor wir Schaden anrichten
Direkt verwandt mit dem ersten Punkt ist auch jener der Schadensillusion. Bevor Reformen im Schulbereich angestrebt werden, wird eher verzögert. Das bisherige System habe auch gut funktioniert und bevor ein Schaden bei den Kindern entsteht, werden Reformen zurückgehalten. Doch ähnlich wie bei der Ersten Hilfe entsteht Schaden durch Inaktivität. Bei allen Reformen handelt es sich nicht um einen Ersatz des bisher Bekannten, sondern um eine Erweiterung.
3. Die politische Resistenz
Es ist keine bahnbrechende Neuigkeit, dass die Bildung im politischen Diskurs eine marginale Rolle spielt. Der Effekt bildungspolitischer Maßnahmen ist innerhalb einer Legislaturperiode weder sichtbar, noch politisch zu verwerten. Das Gleiche gilt auch für etwaige Kürzungen. Zwar spüren betroffene SchülerInnen diese sofort, mögliche Negativeffekte sind allerdings erst in der nächsten Legislaturperiode zu spüren. Daher liegt es in der Natur der Sache, dass die politischen VertreterInnen diese heiße „Herdplatte“ meiden.
4. Die Resistenz unter den Lehrkräften
Ich habe lange gezögert, ob ich diesen Punkt dem Artikel hinzufügen möchte oder nicht. Aktuell pilotiert das Bildungsministerium ein spannendes Projekt zur Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften. Künftig sollen „Trainings“ über MOOCs (Massiv Open Online Course) organisiert werden. Im angesprochenen Projekt/Experiment untersuchen zwei verschiedene Gruppen von LehrerInnen die möglicherweise sehr effektiven Varianten von Online-Tutoring.
Bisher hält sich das Interesse der LehrerInnen in überschaubaren Grenzen. Das mag an vollen Terminkalendern oder unsinnigen Auflagen liegen, die täglich von den Lehrkräften in der Schule erfüllt werden müssen. Systemisch müssen wir nach den Ursachen suchen, dass die LehrerInnen keine Leadership-Rolle beim Vorantreiben von Innovationen einnehmen. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Fazit: Das macht es schwer
In diesem Spannungsfeld bestehen systemische Herausforderungen, Bildungsinnovationen voranzutreiben. Die fehlende Wertigkeit aller Beteiligten lassen jene verzagen, die das System weiterentwickeln wollen. Regelmäßig stoße ich an die Grenzen des Machbaren. Mein bescheidener Eindruck ist, dass das gesellschaftliche Interesse leider nicht groß genug ist. Das macht mich traurig, denn eigentlich sollten wir alle ein gesteigertes Interesse daran haben …