Lange hat der erste demokratiepolitische Skandal der neuen Legislaturperiode nicht auf sich warten lassen. Durch eine „interessante“ Interpretation der Geschäftsordnung des Parlaments wurde das Einsetzen eines Untersuchungsausschusses in der Causa um den BVT vorerst verhindert. Die offizielle Begründung lautet, dass der Antrag nicht genau genug formuliert wäre. Auch wenn das zutrifft, sollte der aktuelle Nationalratspräsident aufgrund der Optik und seiner Befangenheit kein Gutachten in Auftrag geben.
Die schiefe Optik
Mann muss sich etwas genauer mit der Geschäftsordnung des Nationalrats und den Gepflogenheiten auseinandersetzen, um hier durchblicken zu können. Persönlich war die Recherche zu diesem Thema sehr lehrreich. Bei einer Zustimmung von 25 Prozent der AbgeordnetInnen (diese Hürde besteht seit mehr als zwei Jahren; Anm.) zum Nationalrat wird ein Untersuchungsausschuss in die Wege geleitet. Diese Zustimmung erfolgte auf den Antrag der SPÖ sogar mit der Zustimmung der Regierungsfraktionen.
Danach wird ein derartiger Antrag im Geschäftsordnungsausschuss hinsichtlich formaler Kriterien geprüft. Bestehen hier juristische Zweifel, beauftragt dieser Ausschuss ein Gutachten. Das war nicht der Fall. Mutmaßlich eigenmächtig, aber im Rahmen seiner Kompetenzen als Nationalratspräsident, hat danach Wolfgang Sobotka ein „ablehnendes“ Gutachten in Auftrag gegeben, auf dessen Argumentation sich diese „Blockade“ stützt.
Verheimlichen oder verkalkulieren?
Als Staatsbürger sind mir derartige Verfahren eigentlich zuwider. Ich möchte Aufklärung, wo diese angebracht ist. Und dieser Fall ruft nach Aufklärung. Pikant ist aus meiner Sicht, dass Sobotka, aktuell Nationalratspräsident, zuvor Innenminister war und ebenso in diese Affäre verwickelt sein könnte. Das lässt seine Aktion in einem anderen Licht stehen, zumal automatisch Fragen auftauchen werden. Gibt es einen Grund, zu vertuschen? Denn für den Fall, dass es diesen nicht gibt, kann ich diese Verzögerung nicht nachvollziehen.
Doch Verfassungsjuristen wie Theo Öhlinger, die Juristen des Parlaments, NEOS und der Liste Pilz halten den Antrag für tatsächlich zu vage formuliert. Es scheint, als wäre die SPÖ nicht gewohnt, Oppositionsarbeit zu leisten. Denn die Formulierung auf Antrag eines Untersuchungsausschusses gehört zum oppositionellen Rüstzeug. Anstatt auf „stur“ zu stellen, würde eine wiederholte Formulierung vermutlich den Weg des geringsten Widerstands aufzeigen. Aber dafür müsste man eine Todsünde in der Politik begehen: einen Fehler einzugestehen.
Der Verfassungsgerichtshof muss einschreiten
Rechtssicherheit für künftige AntragstellerInnen kann nur ein Spruch des VfGH bringen. Stellt dieser fest, dass hier zuwidergehandelt wurde, eröffnet sich für mich die Frage des Amtsmissbrauchs durch den Präsidenten des Nationalrats. Dieses Vorgehen hat also weitreichende Konsequenzen. Wichtiger ist die Satzung, wonach ein Untersuchungsgegenstand klar abgegrenzt sein muss. Ist das zweckmäßig?
Bei einer zu engen Formulierung könnte nicht untersucht werden, wenn im Laufe des Verfahrens neue Erkenntnisse zutage treten. Dem VfGH kommt also eine entscheidende Rolle zu. Im Zweifel steht die Sache im Vordergrund und wenn eine Formulierung hier zu allgemein gewählt war, sollte das der Untersuchung nicht im Wege stehen. Das wäre jedenfalls mein Rechtsverständnis. Natürlich wäre bei einer breiteren Formulierung der politischen Verantwortung auch der Vorgänger Kickls, Wolfgang Sobotka, im Fokus. Vielleicht, und das ist wirklich nur eine Vermutung, geht es ja darum …