Ganz funktioniert das mit der Opferrolle nicht, wenn man in der Regierung sitzt. Der Vizekanzler hat in den letzten Wochen stets behauptet, sein Büro wäre verwanzt gewesen. Nun stellte sich auch offiziell heraus, was unter JournalistInnen längst bekannt war. Es handelte sich um eine Vorrichtung, mit welcher aktuelle Debatten im Parlament verfolgt werden können/konnten. Denn diese Technologie ist alt und stammt aus der Zeit von Bundeskanzler Josef Klaus.
Keine Opfer mehr
Egal, ob es sich um die angeblichen Wanzen handelte, oder um die Affäre um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Die altbekannte Taktik der FPÖ, sich konsequent als Opfer zu inszenieren und positionieren, hat ausgedient. Denn plötzlich sitzt man an den Hebeln der Macht und übt Kontrolle aus. Natürlich wird ins Treffen geführt, dass hier alte Strukturen bestehen.
Bedenkt man aber, dass das Innenministerium über 4.000 Planstellen erhält, verflüchtigt sich auch dieses Argument. Während des „Wanzengates“ fühlte ich mich an Donald Trump erinnert, welcher behauptete, von der Obama-Administration via Wanzen ausspioniert worden zu sein. Beweise gibt es bis heute keine, was den Rechtsstaat untergräbt. Offenbar sind es diese PolitikerInnen gewohnt, sich als Opfer zu verkaufen, um ihre Gefolgschaft effektiv zu mobilisieren.
Die politische Taktik dahinter
In der Politik geht es um den Verkauf von Erwartungen. Der aktuelle Bundeskanzler hat erfolgreich während des Wahlkampfes Erwartungen geschürt und diese wunderbar verkauft. Ein wenig erinnerte mich diese Taktik an den Teleshopping-Kanal, zumal es dort ähnlich funktioniert. Die FPÖ schürt ebenfalls Erwartungen, geht aber in die entgegengesetzte Richtung.
Man ist das Opfer, das nie durfte - was empirisch zu widerlegen ist - und schraubt deshalb den Erwartungsdruck hinunter. Denn aus dieser Position heraus kann man nur positiv überraschen oder sich Dinge leisten, siehe BVT, über welche jede andere Partei gestolpert wäre. Interessant ist, dass die FPÖ in der Oppositionsrolle nicht müde würde, die verantwortliche Ressortleitung anzuprangern.
Kein Versteckspiel mehr
In Regierungsverantwortung gibt es kein Versteckspiel mehr. Man kann sich nicht aus fadenscheinigen Gründen entschuldigen und aus der Verantwortung stehlen. Es muss politische Verantwortung wahrgenommen werden, selbst wenn man für die gegenwärtigen Zustände nicht verantwortlich sein sollte. Das zeichnet Regierungsverantwortung aus. Denn man ist nicht seinen WählerInnen, sondern dem ganzen Staat verpflichtet. Partikularinteressen oder Parteipolitik zu verfolgen, reicht einfach nicht mehr aus. Offenbar sitzt dieser Verfolgungswahn so tief, dass er tatsächlich dazu führt, nicht mit der Regierungsverantwortung umgehen zu können …