Können wir endlich damit aufhören, Vorhaben in der Bildung nach ihrer parteipolitischen Herkunft zu qualifizieren? Bei jeder Maßnahme höre ich, dass das nicht geht, weil die Idee eine andere politische Farbe hat. Genug damit! Nachdem mögliche positive Effekte in der Bildungspolitik erst Jahre später zu beobachten sind, ist das Zaudern absolut kontraproduktiv und wieder etwas, was meinen Zorn nährt.
Die Idee des modularen Systems
Das zugrundeliegende Ziel ist, dass ein/e SchülerIn nicht wegen der schlechten Leistungen in wenigen Fächern die gesamte Klasse wiederholen muss. Aus dem bestehenden Klassenverband herausgelöst zu werden, ist nur in den seltensten Fällen frei von Friktionen. Im Modulsystem wird der Jahresstoff in Funktionseinheiten unterteilt. Jedes Modul muss in diesem System positiv abgeschlossen werden, bevor das nächste in Angriff genommen wird. Fehlt der positive Abschluss, wird genau diese Funktionseinheit wiederholt.
Die Lerngeschwindigkeit respektieren
Zu lernen ist wie das Autofahren im Kreisverkehr. Fühlt man sich bereit, diesen zu verlassen, nimmt man die nächste Ausfahrt. Andernfalls wird noch eine weitere Runde gedreht. Dass alle SchülerInnen denselben Stoff in derselben Zeit beherrschen, ist eine Illusion des industriellen Zeitalters. Überhaupt ist das der große Widerspruch im Verständnis der Bildung. Wie es scheint, auch bei dieser Bundesregierung.
Der Grund, warum stets die Möglichkeiten der Individualisierung des Lernraums propagiert werden, ist die Notwendigkeit, dem Lernprozess der SchülerInnen mehr Raum zu geben. Jedes Kind wird den vermittelten Stoff in der Schule beherrschen, nur brauchen sie alle etwas unterschiedlichere Voraussetzungen und Tempi. Anzunehmen, dadurch würde getrödelt werden, ist ein Irrglaube. Denn wenn die Zeit reif ist, lernen die SchülerInnen wesentlich schneller als wir glauben.
Der Verlust der Kontrolle
Dass ein kleiner Schritt der Individualisierung, die Umsetzung der modularen Oberstufe nun verzögert wird, löst eine große Wut in mir aus. Im Lernprozess geht es nicht nur um eine räumliche, sondern auch um eine zeitliche Flexibilisierung. Die Unfähigkeit der Regierenden, vierdimensional zu denken und in diesem Prozess die Zeitachse zu berücksichtigen, ist beschämend.
Vielleicht würde eine teilweise Flexibilisierung der Zeitachse als Kontrollverlust verstanden werden. Doch genau darum geht es. Wir können den SchülerInnen nicht vorschreiben, wann sie was in welchem Tempo lernen. Streng genau genommen hat das traditionelle System mit der Prämisse der Kontrolle des Denkens faschistoide Züge, aber das wäre der Inhalt für einen eigenen Beitrag …