Wer hat die alte Koalition aufgelöst, Neuwahlen ausgerufen und nachher der FPÖ das Innenministerium überlassen? Politische Verantwortung heißt eben nicht nur, rhetorisch brillant zu sein, in die Kamera zu lächeln und durch Abwesenheit zu glänzen. Der Bundeskanzler forderte die Richtlinienkompetenz für sein Amt. Nun kann er die Richtlinienverantwortung übernehmen.
Der Auslöser
Beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT) fanden von Polizisten durchgeführte Hausdurchsuchungen statt. Im Zuge dieser wurden laut der Tageszeitung „DerStandard“, der ZiB2 und dem Wochenmagazin „profil“ mehrere Datenträger zu aktuellen Ermittlungen beschlagnahmt. So wurden zwei Mobiltelefone, ein Stand-PC, drei USB Sticks, acht Floppy-Disks (ja, die gibt es immer noch), 397 Seiten Schriftverkehr und 315 CDs und DVDs sichergestellt.
Interessant ist, dass es sich um Material aus der Neonazi-Szene handeln dürfte und die Durchsuchungen vom Innenministerium beauftragt wurden. Es dürfte schwer zu argumentieren sein, dass die BeamtInnen eigenmächtig gehandelt haben. Gerade vor dem Hintergrund der mutmaßlichen Verflechtungen der FPÖ (diese stellt den Innenminister; Anm.) mit der rechtsradikalen Szene, haben diese Vorgänge einen besonders schalen Beigeschmack.
Sehr verwirrend
Gleichzeitig wurden dem Innenministerium Verdachtsmomente des Amtsmissbrauchs seitens des Amtes für Verfassungsschutz bekannt (es geht um die Nicht-Vernichtung von mutmaßlich irrelevantem Beweismaterial; Anm.). Als Dienstbehörde hat das Innenministerium das zur Anzeige gebracht, zumal sie eine Anzeigepflicht hat. Die direkte Konsequenz war, dass der bisherige Chef des BVT freiwillig auf Urlaub ging. Sein demnächst auslaufender Vertrag wird sehr wahrscheinlich nicht verlängert.
Es krankt systemisch
Dass im Bundesamt für Verfassungsschutz ein Netzwerk aus Günstlingen besteht, wo die einzige Qualifikation das Parteibuch zu sein scheint, ist in unserem Staat nicht außergewöhnlich. Die fehlende Wahrnehmung der politischen Verantwortung ist ein Zustand, der mich als Staatsbürger bedrückt. Denn es ist politisch primär nicht entscheidend, wer Schuld an bestimmten Vorgängen hat. Dafür gibt es Gerichte. Es ist zu klären, welche Person als politische Vertretung der BürgerInnen das zu verantworten hat.
Wir wählen Personen in politische Ämter, damit diese Verantwortung übernehmen. Das bringt mich wieder zu meinen Eingangsfragen: Den gemeinsamen Nenner erkenne ich in der Person des Bundeskanzlers. Vielleicht ist das nicht fair, zumal ihm keine Schuld vorgeworfen werden kann. Aber dieses Amt zu bekleiden bedeutet auch, Verantwortung zu übernehmen, wenn Gewitterwolken aufziehen. Und wenn wir schon dabei sind: Was genau ist eigentlich die Aufgabe des Bundespräsidenten? Sollte dieser nicht endlich handeln?