Wort zum Sonntag: Bröckelt der neue Stil?

Schreibmaschine
Quelle: https://www.pexels.com/photo/black-and-white-blur-close-up-fingers-388241/ 25.02.2018

Was kommen musste, kam. Selten wird etwas so heiß gegessen, wie es gekocht wird und in der Politik ist das nicht anders. Uns wurde ein neuer Stil versprochen und eine endgültige Abkehr vom Stillstand in diesem Land. Was ist daraus geworden? Gelten verratene Prinzipien, eine Umfärbung des Parteifilzes und eine Einschränkung des offenen Zugangs zum parlamentarischen Prozess als neuer Stil?

Die schiefe Optik

Im Allgemeinen ist die Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs, Regierungsvorlagen und im Nationalrat beschlossene Gesetze zu prüfen. Darüber hinaus gibt es noch Prüfungsverfahren, die nach einem „Anrufen“ des VfGHs in die Wege geleitet werden. Wenn ein Minister, der die Formulierung eines Gesetzes im Zuge einer Regierungsvorlage zu verantworten hat, nahtlos von der Regierungsbank in den VfGH wechselt und womöglich noch in die Verlegenheit kommt, die eigenen Gesetze zu prüfen, ist die Optik mehr als schief.

Direkte Demokratie, quo vadis?

Vielleicht sollte ich mich gleich zu Beginn dieses Absatzes outen und meine Meinung damit disqualifizieren. Ich habe das „Don’t Smoke - Volksbegehren“ unterstützt und unterschrieben. Als Familienvater und Nichtraucher fiel die Entscheidung leicht. Aber systemisch geht es darum gar nicht. Eine der Regierungsparteien hat stets den Ausbau der direkten Demokratie gefordert.

Ortsschild Authentizität
Quelle: https://pixabay.com/de/ortsschild-ortstafel-924570/ 25.02.2018

Jetzt, wo die FPÖ nicht mehr auf der öffentlichen Meinung reitet, kehrt sie sich davon ab. Interessant ist in diesem Zusammenhang die öffentliche Haltung der ÖVP. Vom Bundeskanzler ist bekannt, dass er ein überzeugter Nichtraucher ist. Vermutlich sagt die ÖVP aus taktischen Gründen nichts. Man überlässt das Feld dem Regierungspartner und wartet darauf, dass dieser sich in Widersprüche verstrickt. Übrig bleibt der Volkswille, der hier eindeutig formuliert wurde.

Die Geister, die man rief …

Vom Vorschlag, Flüchtlinge an einem Ort zu „konzentrieren“ über antisemitische Liederbücher tauchen sehr viele „Einzelfälle“ auf. Michelle Obama sagte einst, dass der wahre Charakter eines Menschen in einem politischen Amt nicht zu verbergen wäre. Permanent steht man im Scheinwerferlicht und die Medien zeichnen jedes Wort, jeden Halbsatz und jede Atempause auf. Es gibt keinen Zufluchtsort mehr und keine Möglichkeit, sich zu verstecken.

Dass die FPÖ unter dieser Tatsache zu leiden haben würde, war von Beginn an klar. Offenbar nahm die neue ÖVP diesen Umstand bewusst in Kauf, um sich nachher als Retterin der Moral zu positionieren und damit bei den nächsten Wahlen ein noch besseres Ergebnis zu erzielen. Ob diese Taktik aufgeht, wird vor allem an einer starken Opposition liegen.

Den Rechtsstaat untergraben?

Als es Wolfgang Mazal als einziger Experte für möglich hielt, dass sich die Höhe der Familienbeihilfe an dem Ort orientiert, an welchem die Kinder leben und nicht, an welchem die Eltern arbeiten, nahm das Sebastian Kurz zum Anlass, eine Kürzung der Familienbeihilfe in Angriff zu nehmen. Zahlreiche ExpertInnen und der Verfassungsdienst des Außenamtes sahen darin einen Widerspruch zum geltenden Gemeinschaftsrecht.

Gerichtshammer und Gesetzbücher
Quelle: https://pixabay.com/de/hammer-bücher-gesetz-gericht-719066/ 25.02.2018

Bei einer Prüfung durch den EuGH würde dieses Gesetz nicht halten. Während des Begutachtungsverfahrens zu diesem Gesetz, haben die gleichen ExpertInnen ihre Bedenken und Zweifel fundiert wiederholt. Bisher war es üblich, dass alle (!) Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren auf der Homepage des Parlaments nachzulesen sind. Während meines Studiums war das eine oft verwendete Quelle von mir. Die geäußerten Zweifel wurden gelöscht. Offenbar möchte die Regierung in ihrer Kommunikation nach außen keine Kritik zulassen. Anders kann ich diesen Schritt nicht interpretieren.

Nicht unbedingt stilsicher

Die geschlossene Kommunikation als Einheit, das zentrale Markenzeichen dieser Bundesregierung, scheint weniger als 100 Tage nach ihrem Start eine unrealistische Vision zu sein. Wir alle kennen Menschen, die sich mit der neuesten Mode kleiden und dennoch ist etwas unstimmig. Bei unserer Regierung beschleicht mich ein ähnliches Gefühl. Die Divergenz der vermittelten Inhalte und der tatsächlichen Taten hinterlässt bei den WählerInnen eine Verwirrung, die teilweise positiv oder negativ interpretiert wird. Bisher werden mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet …