Wir müssen aufpassen. Gerade bei Kindern und jungen SchülerInnen kann eine zu intensive Nutzung der sozialen Medien zur sozialen Isolation führen. Klingt paradox, ist es aber nicht. Mehr „Likes“ hinterherzulaufen und ständig darauf zu achten, die virtuelle Wertschätzung zu bekommen, die letztlich keine ist, kann in eine Sackgasse führen, aus der man schwer wieder herauskommt. Denn die „reale“ Beziehungsfähigkeit leidet.
Die Ambivalenz der sozialen Medien
Aus eigener Erfahrung weiß ich um die Vorteile, die zum Beispiel Facebook mit sich bringt. So schlug ich aus purem Zufall die Brücke zu Verwandten in Argentinien. Ein Onkel meines Vaters ist etwa zur Mitte des 20. Jahrhunderts nach Südamerika ausgereist und die Familie hatte jahrzehntelang nichts von ihm gehört. Warum, ist mir bis heute nicht klar. Vor einigen Jahren schrieb mich seine Urenkelin an und fragte nach meinem interessanten Nachnamen, zumal er nicht nur diesseits des Atlantiks sehr selten sein dürfte. Nach einigen Recherchen haben wir festgestellt, dass wir verwandt sind.
Auch zur Verbreitung der Artikel, die ich hier poste, verwende ich die sozialen Medien gerne und bleibe effektiv mit internationalen KollegInnen in Kontakt. Dabei finde ich die thematische Vernetzung mit den Hashtags sehr hilfreich. Doch auch als Blogger gibt es für mich Grenzen, die ich stets einhalte. Ich vermeide, mich selbst über diese Kanäle darzustellen. Gerade Instagram wäre dafür ein wunderbarer Kanal. Ich poste auch keine Bilder, auf denen meine Tochter zu erkennen ist.
Likes werden zur Sucht
Warum geraten vorwiegend - aber nicht nur - junge Menschen in die Suchtfalle „social media“? Vermutlich hat es etwas mit der positiven Verstärkung zu tun. Jenes (positive) Feedback, welches wir im realen Leben nicht erhalten, holen wir uns durch noch mehr Likes ab. Wir scheinen so erpicht darauf zu sein, uns in ein gutes Licht zu rücken, sodass die Reaktion noch positiver ausfällt. Unsere Konzentration lässt nach, weil sich die Gedanken nur um das positive Feedback kreisen.
Was der Mensch neben uns zu sagen hat, scheint weniger wichtig zu sein, als die Meinung jener, die mit ihrem „Daumen nach oben“ eine kollektive Meinung ausdrücken, die nicht ernstgenommen werden kann. Gerade Kinder im Volksschulalter können ihre negativen Emotionen gut verbalisieren. Ihnen muss jedenfalls genau und vermehrt zugehört werden. Geschieht dies nicht, ist der Ausweg per Smartphone attraktiv. Die Falle schnappt zu diesem Zeitpunkt zu.
Es gibt Alternativen
Um dieses Suchtverhalten zu bekämpfen, gibt es drei Methoden. Erstens, ein nicht elektronisches Telefon - genannt „Substitute Phone“ - das mit integrierten Kugeln typische Smartphone-Gesten imitiert. Man hat also physisch etwas in der Hand. Die zweite Möglichkeit ist gerade in Norwegen weit verbreitet. Dort hatten im Jahr 2016 40 Prozent der Studierenden eine App namens „Hold“ installiert. Verbringt man 20 Minuten nicht auf den sozialen Netzwerken, erhält man einen Punkt. Das angehäufte Punktekonto hat in Form von Speisen, Getränken oder sogar Stipendien einen realen Wert.
In Österreich gibt es mit der App „Forest“ einen ähnlichen Versuch. Zwar verzichtet diese auf reale Belohnungen, aber die NutzerInnen stellen eine Zeit ein, die sie ohne soziale Medien auskommen wollen. Dann wächst ein Baum. Erreicht man diese Zeit nicht, stirbt dieser. Wenn Kindern die mediale Kompetenz vermittelt werden sollte, ist der Umgang mit sozialen Medien entscheidend. Heute heißen diese Facebook, Instagram oder Twitter. Morgen tragen sie vielleicht einen anderen Namen. Doch entscheidend ist, dass stets die reale Umsetzung des virtuellen Feedbacks im Vordergrund steht. Die Vorraussetzungen dafür sind Empathie und ehrliches Interesse am Gegenüber und diese Fähigkeiten werden digital nicht vermittelt …