Meine Erfahrungen der Karenz

Eine Babyhand hält den Finger eines Erwachsenen
Quelle: https://pixabay.com/de/baby-hand-säugling-kind-vater-2416718/ 15.02.2018

Gestern endete meine Karenz. Zeit, ein persönliches Fazit dieser wunderbaren zwei Monate zu ziehen. Vorab muss ich aber drei Umständen dankbar sein. Ich habe eine sehr unkomplizierte und freundliche Tochter und eine wunderbare Frau, die mir sofort mit einer Mütter angeborenen Expertise unter die Arme greift, die bemerkenswert ist. Und letztlich kann ich gar nicht oft, vor allem gegenüber internationalen KollegInnen, herausstreichen, was für ein Privileg es ist, in Österreich zu leben.

Der Blick auf das Wesentliche

Jede/r, die/der Kinder hat, weiß, dass sich die Prioritäten spätestens mit dem Moment der Geburt verschieben. Was man früher noch als Problem wahrgenommen hat, ist heute nicht einmal mehr der Rede wert. Dafür stehen andere Herausforderungen an. Plötzlich drehen sich die Gedanken aller Eltern um Faktoren, welche die Entwicklung ihrer Kinder positiv beeinflussen. Welchen Kindergarten besucht sie einmal und unternehme ich genug, um ihre Entwicklung zu fördern?

Dazu gehört auch, viel zu reden und Spiele zu spielen, welche die Kreativität ankurbeln und die Motorik fördern. Belohnt werden wir Eltern damit, dass wir die Entwicklungsschritte oder -sprünge unserer Kinder beobachten dürfen. Das meine ich mit dem Blick auf das Wesentliche. Herausforderungen des Arbeitsalltags erhalten eine neue Gewichtung. In meinem Fall interagiere ich mit meinen LeserInnen anders seitdem ich Vater bin und nehme Kommentare ganz anders auf.

Mein Blick im Alltag änderte sich

Rolltreppen
Quelle: https://pixabay.com/de/rolltreppe-u-bahn-singapur-schnell-2252517/ 15.02.2018

Natürlich hat sich mein Blick im Alltag geändert. Ein gutes Beispiel wäre die Zugänglichkeit mit dem Kinderwagen. Egal, ob es sich um eine U-Bahn-Station, ein Lokal, Gehsteige, Baustellen oder Geschäfte handelt. Ist der Lift nicht zugänglich, wende ich mich ab. So hat mich beispielsweise ein Modegeschäft für die Dauer der Reparatur des Aufzugs als Kunden verloren. In der U-Bahn-Station ist das wesentlich schwieriger. Für eine gewisse Zeit wurde der Aufzug in der Station Karlsplatz „reneuviert“, wie das die Wiener Linien nennen. Dann fährt man auch mit dem Kinderwagen auf der Rolltreppe.

Einen anderen Aspekt umfassen die kleinen Gefahren des Alltags, vor denen wir Eltern stets auf der Hut sind, zumal sie ganz schnell zu großen werden könnten. Es wird alles in den Mund genommen, was nicht niet- und nagelfest ist. Steine, Cremen, Öle, Steckdosen, Tischkanten, Kugelschreiber, Schuhe, Bücher, DVDs oder Gegenstände, die viel Kosten sind nicht mehr sicher. Man nimmt die Wohnung anders wahr.

Ich arbeite anders

Dass ich anders arbeite, hat bereits mit der Geburt unserer Tochter begonnen. Ich nütze die Schlafzeiten und die Nacht, um mein Tagwerk zu erledigen. Wenn ich eine kreative Eingebung habe, nehme ich auf meinem Smartphone einen Sprachtext auf. Der Rhythmus, den man sich zuvor angeeignet hat, muss wieder geändert werden. Das betrifft auch eines meiner größten Hobbys: Das Fitnesstraining. Ins Fitnessstudio gehe ich am Wochenende und zuhause trainiere ich mit Widerstandsbändern. Damit kann ich mehr als zwei Drittel der Übungen, die ich im Studio mache, nachgehen.

Diese Zeit ist kostbar

Vor der Geburt unseres Kindes habe ich Freunde und Bekannte mit Kindern gefragt, worauf jedenfalls zu achten wäre. Die häufigste Antwort war, dass ich gerade die Anfangszeit genießen solle. Im Leben bekommt man die verpasste Zeit nie wieder zurück, aber in diesem Fall würde es am meisten schmerzen. Wenn ich schon das Privileg habe, von zuhause aus zu arbeiten, soll ich es genießen. Die Kleinen wachsen eh so schnell. Meetings und Termine versuche ich nach Möglichkeit so zu legen, dass einer von uns zuhause ist.

Wecker
Quelle: https://pixabay.com/de/zeit-uhr-nacht-home-büro-stunden-2980690/ 15.02.2018

Das funktioniert auch meistens. Wenn ich sehe, wie das KollegInnen in anderen Ländern meistern, führe ich mir stets vor Augen, dass wir in Österreich auf einer Insel der Seeligen leben. Sogar als Selbstständiger kann ich in Karenz gehen und die Zeit effektiv mit meinem Kind nutzen. Jeder/m die/der ein Kind erwartet, kann ich nur ans Herz legen, diese Möglichkeit zu nützen. Sie kommen früh genug in den Kindergarten und bald sind tausend Dinge wesentlich interessanter als wir Eltern. Diese zwei Monate möchte ich nicht in meinem Leben missen …