Letzte Woche hatte ich die Gelegenheit, bei der Planung eines MOOCs (Massive Open Online Course) für Lehrkräfte dabei zu sein. In mehreren Kleingruppen wurden aus der Sicht der LehrerInnen die Erfolgsfaktoren für eine gelungene Fortbildung diskutiert. Dabei wurden vor allem die veränderten Herausforderungen des Lehrberufs im 21. Jahrhundert angesprochen und ob die Angebote der Fort- und Weiterbildung darauf noch Rücksicht nehmen.
Die zentralen Fragen
Natürlich wird in solchen Runden der Idealzustand gefordert. Auf aktuelle Herausforderungen wird mit idealtypischen Konzepten reagiert, die sich die TeilnehmerInnen aus ihrer individuellen Position heraus wünschen. Je breiter das Spektrum der TeilnehmerInnen, desto repräsentativer ist das Bild, welches man erhält.
Vorweg muss die Frage gestellt werden, welche Kompetenzen heute im Lehrberuf entscheidend sind. Vielleicht hat sich die Art des Unterrichtens geändert oder sollte sich ändern. In diesem Zusammenhang kann auch hinterfragt werden, welche Strategie der Beurteilung noch zeitgemäß wäre. Ist beispielsweise das formative Assessment effektiver als die traditionelle Notengebung?
Die veränderten Kompetenzen
Wir diskutieren oft, dass den SchülerInnen zusätzliche Kompetenzen mit auf den Weg gegeben werden müssen, um in einer veränderten Welt erfolgreich navigieren zu können. Die Teamfähigkeit steht dabei ebenso im Zentrum wie die digitale, soziale und jene Kompetenz der Problemlösung in einer vernetzten Weise. Dem Gesellschaftstheoretiker Niklas Luhmann zufolge leben wir in einer funktional differenzierten Gesellschaft (Luhmann 1998), deren Interdependenzen die Komplexität unseres Alltags ausmachen.
Folgerichtig sollten diese Kompetenzen auch von den LehrerInnen an den Tag gelegt werden, um sie ihren SchülerInnen authentisch zu vermitteln. Es ist daher notwendig, stets die Teamfähigkeit zu stärken. Das Bild der Lehrkraft als EinzelkämpferIn entspricht zwar vielerorts der Realität, ist aber nicht mehr zeitgemäß. Eine weitere Tugend, die gefordert wird, ist ein hoher Grad an Flexibilität die Art des Unterrichts betreffend. Nicht nur muss der Unterricht an die jeweilige Klasse adaptiert werden - das geschieht sowieso. Es empfiehlt sich auch, Kooperationen mit anderen LehrerInnen und Fächern zu suchen.
Soziale Kompetenzen in Verbindung mit digitalisierten Inhalten zu vermitteln, ist die zentrale Herausforderung. Mit den digitalen Möglichkeiten gelingt vielleicht der ideologische Sprung im Lehrberuf, der auch von den TeilnehmerInnen gefordert wurde. Es geht nicht mehr darum, „BefüllerIn“ von leeren Hirnen zu sein, sondern „BegleiterIn“ im Lernprozess. Das erfordert jedoch einen hohen Grad an Planungskompetenz auf der Seite der LehrerInnen.
Die Art des Unterrichts
Den LeserInnen meines Blogs ist es nicht verborgen geblieben, dass ich kein Freund des klassischen Unterrichts im Sinne der Spaltung nach Fächern bin. Für die Ausbildung der LehrerInnen ist diese Differenzierung zwar notwendig, im Alltag der SchülerInnen aber oft hinderlich beim vernetzten Denken. Wäre es nicht zielführender, die fächerübergreifende Kooperation zwischen den jeweiligen Fächern in einen themenorientierten Unterricht münden zu lassen? Recherchiere ich beruflich oder privat, ist mein Suchbegriff das jeweilige Thema. Auch in Unternehmen werden Teams zur Problemlösung eines bestimmten Themas aus mehreren Blickwinkeln gebildet.
Die Beurteilung
Wann ist eine Beurteilung der Leistung von SchülerInnen zielführend? Wenn sie diese verstehen und entsprechend reagieren können. Wenn tatsächlich verstanden wird, wo die Schwächen liegen, kann an diesen gearbeitet werden. Umgekehrt trägt es zur Förderung des Selbstvertrauens bei, wenn nachvollzogen werden kann, warum man gut ist. Auch bei älteren SchülerInnen ist das durch die Notengebung nicht gewährleistet. Die Leistungsbeurteilungsverordnung legt zwar fest, wie die Lehrkraft zu einer Note kommt, es ist jedoch nicht zu erwarten, dass ein/e SchülerIn diese bei der Hand hat.
Das formative Assessment begleitet den Lernfortschritt der SchülerInnen und gibt ein genaueres und persönlicheres Bild der Leistung ab. Idealerweise geht es im Prozess auf die jeweiligen Stärken und Herausforderungen ein und bietet Strategien der Bewältigung an. Am Ende kann der/die LehrerIn eine Note geben, weil das Gesetz danach verlangt. Aber durch das formative Assessment verstehen die SchülerInnen ihre Leistung.
Wann ist eine Fortbildung erfolgreich?
Jede/r hat individuelle Kriterien, an denen sie/er eine Fortbildung misst. Jedenfalls, das dürfte allen gemein sein, möchte man sich möglichst viel Wertvolles mitnehmen. Auf die Aus- und Weiterbildung der LehrerInnen bezogen bedeutet das jedenfalls, dass die veränderten Herausforderungen unserer Zeit abgebildet werden sollten. Wenn die beste Lehrkraft etwas für sich mitnimmt und es unsichereren KollegInnen ähnlich ergeht, ist die Fortbildung als Erfolg zu verbuchen. Das von der Europäischen Kommission geförderte TeachUP Projekt erforscht, ob diese Anforderungen auch auf einen MOOC umgelegt werden können. Stellt sich heraus, dass dies der Fall sein sollte, bedeutete das einen Paradigmenwechsel. Ich bin zwar noch etwas skeptisch, aber durchaus optimistisch gestimmt …