Bisher organisierten wir die demokratische Vertretung durch Wahlen. KritikerInnen werden zu Recht behaupten, diese Art der Auswahl wäre aristokratisch. Vielleicht gibt es eine bessere Möglichkeit und wir haben diese bereits andernorts implementiert. Ich denke vor allem an eine Strategie, den Populismus und die Machtversessenheit zu umgehen.
Es krankt systemisch
In meinem letzten Beitrag habe ich die Problematik unseres aktuellen Wirtschaftssystems aus demokratischer Sicht dargelegt. Macht möchte sich erhalten und politische VertreterInnen opfern dafür entsprechend viel. Die politische Couleur ist dabei fast unerheblich. Sie lassen sich von Unternehmen oder Großsponsoren „kaufen“, wenn sie das Gefühl haben, damit ihre Macht zu festigen.
Wenn die Demokratie die Herrschaft durch das Volk und für das Volk sein soll, entsteht spätestens hier ein veritabler Konflikt. Denn es stehen persönliche Interessen dem Gemeinwohl gegenüber und genau dieser Interessenkonflikt steht eigentlich im Widerspruch zur Demokratie selbst. Macht korrumpiert.
Das isländische Beispiel
Als die isländischen Banken im Zuge der letzten Weltwirtschaftskrise vor dem Ruin standen, retteten Islands BürgerInnen diese nicht und behielten das Steuergeld. Sie ließen die Banken bankrott gehen und entwarfen eine neue Verfassung mit einem Regulativ, das die politischen VertreterInnen in einem derartigen Fall zur Verantwortung ziehen kann. Diese Verfassung fand im Rahmen einer Volksabstimmung eine Zustimmung von 67 Prozent. Doch bisher blockierten die Konservativen den Prozess der Ratifizierung im Parlament. Dieser Fall lässt mich nachdenken.
Die Auswahl der Geschworenen
Wie passt so eine Überschrift in diesen Artikel? Ganz einfach: Es wird eine weitere Möglichkeit der demokratischen Repräsentation gezeigt. Die Auslosung! Im Falle der Geschworenen ist zu beobachten, dass Menschen, die ausgelost werden, eine geringere Fachkenntnis haben, ihre Aufgabe aber sehr ernst und gewissenhaft wahrnehmen. Wenn ich mir die Fachkenntnis der gegenwärtigen VolksvertreterInnen in Österreich ansehe, ist die Vertrautheit mit der Materie offenbar kein Kriterium. Qualitativ könnte man daher tatsächlich durch Auslosung bestimmen, wer uns vertritt. Diese Art ist bei weitem nicht perfekt, wäre aber ein zu überlegendes Add-On in unserem System.
Kein Populismus
Ein interessanter Effekt des Losverfahrens wäre die Eliminierung des Populismus. Wenn die PolitikerInnen nicht durch Wahlen auserkoren werden, brauchen sie auch nicht dem Volk nach dem Mund reden und Stimmung machen. Der Seriosität der Politik würde diese Maßnahme guttun. In Österreich würde die aktuelle Bundesregierung vermutlich ganz anders aussehen und vielleicht würden Lösungen nahe der BürgerInnen gesucht werden.
Systemische Voraussetzungen
Ein Parlament mit zwei Kammern wäre dafür prädestiniert. Eine Kammer „erhält“ ihre Politikerinnen durch Wahlen, die Andere durch Auslosung. So fände tatsächlich eine Kontrolle statt und wir näherten uns einem gelebten Parlamentarismus. Um ausgelost zu werden, darf man keinem parlamentarischem Klub angehören und eigentlich sollten auch ParteimitgliederInnen ausgeschlossen sein. Damit würde man den parlamentarischen Klubzwang umgehen. Wenn wir schon dabei sind:
Der Klubzwang steht eigentlich in einem diametralen Gegensatz zu einem Parlament, das demokratisch legitimiert sein soll. Die VolksvertreterInnen sind nicht ihrer Partei, sondern den WählerInnen verpflichtet. Ähnlich der Auslosung der Geschworenen wäre auf eine repräsentative Mischung zu achten. Die Bevölkerung sollte abgebildet sein. Diese Mischung - das wissen die SozialwissenschafterInnen unter uns - ist jedenfalls gegeben, wenn tatsächlich zufällig gelost wird. Man erhielte damit einen repräsentativen Schnitt und die Volksvertretung wäre tatsächlich verbessert.
Nicht weniger, sondern mehr Demokratie
Seit langer Zeit überlegen PolitikwissenschafterInnen, wie man unsere Demokratie verbessern könnte. Es geisterte sogar der Vorschlag umher, einer Person für den Ernstfall, wie auch immer dieser aussehen mag, die gesamte Macht für einen begrenzten Zeitraum zu geben. Die alten Römer hatten ein derartiges System und es ging ordentlich schief. Die letzte Person, die ein derartiges Amt innehatte, war Gaius Julius Caesar.
Die Antwort lautet daher eher, auf noch mehr Demokratie zu setzen. Das Losverfahren wäre eine interessante Möglichkeit. Denn ein Fall darf in einer Demokratie nie eintreten: Der politische Prozess der Entscheidungsfindung darf nicht aus den Händen der BürgerInnen in jene großer Unternehmen mit viel Geld geraten. Und wer glaubt, ein Losverfahren wäre kein interessantes Add-on, sollte vielleicht die direktdemokratische Reife unserer Gesellschaft überdenken …