Viele von uns glauben an den Gott des Kapitalismus - an das ständige Wachstum. Doch dieses Wachstum basiert auf zwei Grundsätzen, die einer nachhaltigen Entwicklung entgegenstehen. Erstens, dass wir stetig mehr brauchen als notwendig ist und zweitens auf dem gegenwärtigen Geldsystem, das auf Schulden fußt. Ich habe einige Zeit gebraucht, bis ich es begriffen habe. Aber jetzt sehe ich die Welt tatsächlich mit anderen Augen.
Wie das Geld entsteht
In der Eurozone entsteht das Geld zu 85 Prozent durch private Banken. Der erste Denkfehler, dem viele aufsitzen, ist, dass Geld nur durch die Notenbank entsteht. Das stimmt aber nur für das Bargeld. Brauche ich 5.000 Euro von meiner Bank, obliegt es ihr zu entscheiden, ob ich es zurückzahlen kann. Ist sie dieser Meinung, überweist sie mir den Betrag, indem sie die Ziffern in einen Computer tippt.
Dieses Geld ist vorher nicht da und wird in diesem Moment kreiert. Ich zahle es mit Zinsen zurück. Sobald die 5.000 Euro getilgt sind, verschwinden sie wieder und die Zinsen bleiben im System. Real erwirtschaftet zur Tilgung eines fiktiven Betrages. Das bedeutet, dass unser gesamtes Geldsystem auf Schulden basiert und nur dann funktioniert. Das ist erschreckend. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass mein Wohlstand auf den Schulden Anderer aufgebaut ist. Das wirft auch einen differenzierten Blick auf die Entwicklungshilfe.
Eine Revolution
Henry Ford meinte einst, dass es in jenem Moment eine Revolution gäbe, in dem die AmerikanerInnen begreifen, wie das Banksystem tatsächlich funktioniert. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Alternativen gesucht werden. Denn dem traditionellen System wohnt eine weitere Schieflage inne. Das Geld kann eigentlich nicht zirkulieren. Es wird gehortet oder kommt nur den AktionärInnen großer Betriebe und Unternehmen zugute. Diese wachsen aber nur, wenn wir ständig glauben, mehr zu brauchen. In Bristol geht man einen anderen Weg. Dort druckt man eigene Banknoten, die nur in Bristol Gültigkeit haben.
In einem der Tauschgeschäfte können Menschen Pfund Sterling in Bristol Pounds wechseln. Damit kann man danach in über 800 Geschäften bezahlen. Sogar die Bezahlung per SMS ist möglich. Der politische Widerstand gegen diese Initiative war denkbar gering. Die örtlichen Unternehmen werden unterstützt, darüber hinaus kaufen diese mit den Bristol Pounds von örtlichen Zulieferern und die Steuerflucht wird verhindert, weil die Gültigkeit des Geldes örtlich begrenzt ist. Damit wird nur auf das örtliche Wachstum fokussiert. Am effektivsten ist dieses System, wenn kommunale Steuern und kommunale Gehälter zumindest teilweise mit diesem Geld bezahlt werden.
Die Allgemeinheit im Fokus
KritikerInnen werden jetzt sagen, dass all das gänzlich ohne Geld ginge und dass dafür kein alternatives System notwendig wäre. Der große Vorteil lokaler Komplementär-Währungen ist, dass Rücklagen für die Allgemeinheit gebildet werden können. Diese kommen wieder ortsansässigen Personen zu Gute.
Ein anderer Vorteil betrifft den Arbeitsmarkt. Jeder Euro/Dollar, der direkt in ein ortsansässiges Unternehmen fließt, kreiert zwei- bis viermal so viele Arbeitsplätze als er über die üblichen Kanäle entstehen ließe. Diese Zahl habe ich von Michael Shumann, Wirtschaftswissenschafter und Gründer von Balle, das ein Netzwerk lokaler Wirtschaftssysteme zum Ziel hat. In meinen Augen wäre das ein nachhaltiges Wachstum, oder?
Die Auswirkungen auf die Demokratie
Geld regiert die Welt und wer zahlt, schafft an. Folgen wir dem bisherigen System, wird der politische Einfluss multinationaler Konzerne zwangsläufig größer. Auf europäischer Ebene ist dieser Trend durch den steigenden Lobbyismus zu beobachten. Auch in Österreich scheinen die Großspender einer Regierungspartei die Politik zu beeinflussen. Wenn aber eine Re-Lokalisierung stattfände, stiege auch wieder der Einfluss der BürgerInnen. Es würde eine Re-Demokratisierung stattfinden, nachdem zuvor der Einfluss des großen Geldes sinkt. Ist das alles Utopie? Bristol, 100 weitere Städte und 45.000 Unternehmen sehen das anders. Ich mittlerweile auch …