Die Kinderbetreuung gerät durch Vorhaben wie die Einführung des 12-Stunden-Tages unter Druck. Laut einer Erhebung haben nur 100.000 von 250.000 Kindergartenkindern einen Platz, der für Eltern klassische Vollzeit-Beschäftigungen zulässt. Eine Gesellschaftsgruppe steht spätestens jetzt vor einem evidenten Problem: Die AlleinerzieherInnen.
Unvorstellbare Belastung
Wir haben das große Glück, zu zweit zu sein. Wenn unsere Tochter krank ist oder unvorhergesehene Termine anfallen, kann der Eine den Anderen unterstützen. Alleine dem Schlaf tut diese Möglichkeit schon gut. Andere Herausforderungen können sich zwei Erwachsene bei der Kinderbetreuung auch besser aufteilen. Für über 260.000 alleinerziehende Frauen und 48.000 Männer fallen diese Möglichkeiten weg.
Wenn diese jetzt auch noch in einer Firma arbeiten, die von der 12-Stunden-Regelung öfter Gebrauch macht, ist das Limit erreicht. Denn eine 12-Stunden-Kinderbetreuung gibt es nicht. Der einzig machbare Ausweg scheint eine Teilzeitbeschäftigung zu sein, die aber wesentlich weniger finanzielle Ressourcen generiert und entweder akut zur Armutsgefährdung oder später zur Altersarmut beiträgt, weil die eingezahlten Beträge geringer sind.
Das Versagen des Sozialstaats
Eigentlich sollte der Sozialstaat, als solchen verstehen wir uns hoffentlich noch, diesen Menschen Unterstützung anbieten. Nicht unbedingt durch Geldleistungen, sondern durch die Bereitstellung einer entsprechenden Infrastruktur. Wenn für die Kinderbetreuung evidente Kosten anfallen (so z.B. aktuell in Oberösterreich; Anm.) oder erst ab einem Kindesalter von 2,5 Jahren die ganztägige Betreuung gewährleistet ist, ist das blanke Gegenteil der Fall. Denn das oft lukrativere, einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld ist nur im Modell 12+2 Monate zu beziehen.
Blickt man in andere Länder, welche wirtschaftlich durchaus erfolgreich sind und sich noch nicht vom Sozialstaat verabschiedet haben, so beträgt die Möglichkeit zur Karenz oft nur einige Wochen oder wenige Monate. Das ist deswegen vertretbar, weil in diesen Fällen oft eine Kinderbetreuung zur Verfügung steht. Nicht so in Österreich. Wirklich beunruhigend sind die Unterschiede zwischen den jeweiligen Bundesländern. Nur Wien scheint im 21. Jahrhundert angekommen zu sein und bietet für 0 bis 6-Jährige ganztags einen kostenlosen Kindergartenplatz an. Nur das Gratiskindergartenjahr vor dem Schuleintritt ist in jedem Bundesland kostenlos. Dieses wird aber auch durch den Bund und nicht durch die Länder und Gemeinden finanziert.
Echte Wahlfreiheit gefordert
Ich weiß! Jetzt kommt gleich das Argument der freien Entscheidung der Eltern. Manche Eltern wollen zu Hause bleiben und stellen den frühen, beruflichen Wiedereinstieg hintan. Aber diese Wahlfreiheit ist nur dann ernst gemeint, wenn sie tatsächlich gegeben ist. Nur wenn mehrere Optionen mit wenig wirtschaftlichen Einbußen bereitstehen, haben Eltern die Wahl. Wenn Eltern in die Teilzeit gedrängt werden, um die Kinderbetreuung zu organisieren, ist keine Wahlfreiheit vorhanden und unsere liberale Gesellschaft wird dadurch in eine Identitätskrise gestürzt. Eigentlich rückschrittlich, oder?