Zurück in die Vergangenheit …

old camera
Quelle: https://www.pexels.com/photo/antique-camera-classic-lens-242433/ 02.12.2017

Das ist nicht der Titel eines Filmes! Viele sehen in den Bildungsplänen der künftigen Bundesregierung, die in dieser Woche vorgestellt wurden, eine Sehnsucht nach der Zucht und einen veritablen Rückschritt. Dieser Rückschritt ist zu beobachten, basiert aber eher auf dem fehlenden Verständnis der pädagogischen Interaktion und deren Bewertung. Jetzt sollen jene alten Konzepte, welche die Misere ausgelöst haben, die Lösung bringen. 

Leistung hat nichts mit Benotung zu tun

Es wurde behauptet, man bekenne sich zu einem Bildungssystem, das Leistung fördert und honoriert. Und tatsächlich sollte ein Ziel des Bildungssystems sein, dass sich unsere Jüngsten in einer leistungsorientierten Gesellschaft zurechtfinden. Doch kann man über die Mittel und ihre Abstraktheit diskutieren. Während eines pädagogischen Prozesses ist es wichtig, dass die SchülerInnen verstehen, was sie gut gemacht haben und, wo es Potenzial zur Verbesserung gibt.

Abstrakte Noten von 1 bis 5 erfüllen diesen Zweck nicht. Man bekommt nur gelehrt, dass 5 schlecht und 1 gut ist. Aber warum das so ist, wird damit nicht erklärt. Viel wichtiger wäre, den SchülerInnen ihr persönliches Verbesserungspotenzial zu erläutern. Das geht mit den zu vermittelnden Kompetenzen Hand in Hand. Zu sagen, dass die Leseschwächen evident sind (was stimmt) und deswegen die Noten wieder einzuführen, ist ein Trugschluss und eine Retropolitik.

Zeugnis
Quelle: https://pixabay.com/de/lehrbrief-prüfungszeugnis-ausbildung-1509969/ 02.12.2017

Spannender wäre, den SchülerInnen zu erklären, dass sie nicht gut lesen können und nach den Gründen zu suchen. Kurznachrichten zu verfassen und diese zu lesen, hat mit dem sinnerfassenden Lesen noch nichts zu tun. Einen Text kritisch zu beleuchten - und das geht bereits in der Volksschule - schon eher. Im Zuge einer pädagogischen Interaktion, in der die SchülerInnen miteinander kollaborieren, nähern sie sich dem Textverständnis schrittweise und nachhaltig an. Das Lesen wird verbessert, das Verständnis geschult und damit die Leistungsorientierung sichergestellt.

Assessment vs. pädagogische Interaktion

Seit Jahren bin ich darüber verärgert, dass stets die Bewertung, das Assessment, und nicht die pädagogische Interaktion im Vordergrund der Diskussion steht. Aber warum? Ist es, damit die Eltern schneller die Leistung ihrer Kinder einschätzen können? Ist es möglicherweise eine Abkürzung in der Einschätzung der Leistung für die LehrerInnen, die sonst mit Dingen belastet werden, die mit dem Geschehen in der Klasse nichts zu tun haben?

Oder ist es die Sehnsucht der industriellen Revolution, Menschen im gleichen Takt ihrer Individualität zu berauben? Denn diesen Zusammenhang müssen wir uns stets vor Augen führen: Wir bilden nicht aus, sondern bilden! SchülerInnen bestimmte Fertigkeiten zu lehren ist deshalb illusorisch, zumal 60 Prozent der SchulanfängerInnen in Jobs landen, die noch nicht erfunden wurden. Es geht also um eine gesunde Basis. Wie diese ausgestaltet ist, darüber kann diskutiert werden.

Die Leistungsorientierung

Dass wir in einer Gesellschaft leben, die auf die Erfüllung von Leistungen ausgerichtet ist, lässt sich bestimmt nicht abstreiten. In diesem Zusammenhang ist das Verständnis der eigenen Leistung besonders wichtig, um sich selbst zu evaluieren. Selbstreflektierte und -kritische Menschen zu erziehen, muss das übergeordnete Ziel sein. Doch ich muss verstehen, was ich richtig und falsch mache, um mich zu verbessern. Hatten Sie jemals ein MittarbeiterInnen-Gespräch und wurden schlicht und ergreifend nach einem Notenschlüssel ohne Feedback bewertet?

Stoppuhr auf Laptop
Quelle https://www.pexels.com/photo/woman-using-a-smartphone-while-fronting-a-macbook-pro-and-black-ipad-196656/ 02.12.2017

Wurde Ihnen jemals eine Gehaltserhöhung mit einer gegebenen Note verweigert? Das möchte ich anzweifeln. Es war und ist immer die Begründung, die für uns entscheidend ist. Ähnlich bei unseren Kindern. Sowohl Maßnahmen in der Bildung als auch in der Erziehung haben erst einen bleibenden Effekt, wenn sie von den betroffenen verstanden werden. Daher ist die verpflichtende Wiedereinführung der Noten höchst kritisch zu bewerten. Gäbe es dazu eine verpflichtende und transparente Begründung, sähe die Sache vielleicht etwas anders aus.