Glauben wir den Mitteilungen, verlaufen die Koalitionsverhandlungen zwischen der ÖVP und der FPÖ konstruktiv. Doch an den Nebenschauplätzen passiert das, was zu erwarten war. Die Bundesländer formieren sich zum Widerstand gegen die kolportierten Reformen. Vor allem wenn es darum geht, Kompetenzen beim Bund neu zu ordnen oder die Gebietskrankenkassen zu zentralisieren.
Wo ein Wille, da kein Weg
Es klang verlockend. Im Wahlkampf hat der künftige Bundeskanzler versprochen, alte Krusten zu lösen und gegen die Widerstände der Bundesländer Reformen umzusetzen. In Kombination mit einer restriktiven Flüchtlingspolitik und dem Image der Erneuerung wurden vor der Wahl einige WählerInnen gewonnen. Die Landesorganisationen der ÖVP setzten auf Sebastian Kurz, um an die Regler der Macht zu kommen.
Nun dürfte die ÖVP den Bundeskanzler stellen und es hat den Anschein, als ob sie wieder zu alten Mustern findet. Die ÖVP Tirol, die gerade einen Wahlkampf schlagen muss, hat die Farbänderung zu türkis abgelehnt. Der Vorsitzende der Landeshauptleute-Konferenz, Markus Wallner (ÖVP), bremst beim Reformvorhaben die Sozialversicherungsträger zu fusionieren.
Der größte Zankapfel dürften die bundesweiten Vorgaben zur Mindestsicherung sein. Mit einem Grundsatzgesetz sollen einheitliche Vorgaben, wie die Deckelung von Leistungen für Familien, bundesweit vereinheitlicht werden. Doch auch diesbezüglich regt sich Widerstand in den Ländern. Wien würde gegebenenfalls sogar den Weg zum Verfassungsgerichtshof anstreben. Auch Vorarlberg möchte bei dieser Maßnahme nicht mitgehen. Immerhin handelt es sich hier um ein von der ÖVP geführtes Bundesland.
Der falsche Fokus
Während der Koalitionsverhandlungen wurde offenbar ein Schwerpunkt auf die sogenannte Zuwanderung ins Sozialsystem gelegt. Man kann jederzeit hier über Maßnahmen geordnet diskutieren, aber der Schwerpunkt könnte und sollte eigentlich woanders liegen. Als Staatsbürger frage ich mich, wo mehr „zu holen“ wäre. Bei den sozial Schwachen, oder bei den Konzernen und sogenannten Superreichen, die geschickt ihr Geld in Steueroasen parken.
Wenn jetzt mit großer Inbrunst die Mindestsicherung Light als sozial faires System den Massen verkauft wird, während Amazon, Starbucks, Google und wie sie nicht alle heißen, effektive Strategien zur Steuervermeidung legal umsetzen können, ist das keinesfalls etwas, was mit Stolz verkündet werden kann. Aber vielleicht sehen die WählerInnen dieser Koalition tatsächlich bei der Zuwanderung mehr Einsparungspotenzial.
Es muss geliefert werden …
… anstatt zu reden. Der bisherige Außenminister hat noch nichts umgesetzt oder bewiesen. Die vielzitierte Schließung der Westbalkan-Route ist bekanntlich nicht seiner Feder entsprungen. Was geliefert wurde, ist eine Kindergarten-Studie, die (Zitat des Vorsitzenden der Untersuchungskommission) „nicht nobelpreisverdächtig ist und abgelehnt würde, wenn sie ein/e Studierende/r abgäbe“.
Man darf daher gespannt sein, was folgt. Die Erwartungen, bestehende Strukturen der ÖVP und der Bundesländer aufzubrechen, dürften, glaubt man ihren VertreterInnen, aller Voraussicht nach nicht erfüllt werden. Die FPÖ ist als Juniorpartner, im Vergleich zu den 2000er Jahren, in einer strategisch besseren Situation. Die großen Reformen wurden vorab von der ÖVP angekündigt. Werden diese nicht erfüllt, kann ihr auch der schwarze Peter zugeschoben werden. Und über die anstehende Bildungspolitik haben wir noch gar nicht gesprochen …