Die Frage, was in der Schule vermittelt werden sollte, beschäftigt das Bildungssystem seit Jahren. Ist das ultimative Ziel die Wissensvermittlung, oder die Schulung bestimmter Kompetenzen? Eine Antwort auf diese Frage sieht aus meiner Sicht immer unterschiedlich, abhängig von der Zeit und dem Fokus, aus. Auch legen internationale Bildungssysteme unterschiedliche Schwerpunkte, sodass wir eine eindeutige Antwort schuldig bleiben werden. Aber vielleicht können wir uns der Beantwortung dieser Frage in Österreich nähern.
Der Status quo
Studieren wir die Lehrpläne genauer, so können wir feststellen, dass die Vermittlung von Wissen im Zentrum der pädagogischen Interaktion in der Klasse steht. Die Lehrkraft tritt mit einer Expertise auf und die SchülerInnen sollen dieser folgen. Wird kritisch hinterfragt, ist das zwar lobenswert, aber bestimmt nicht das Ziel der Wissensvermittlung. Wir haben in Österreich zwar einen Kompetenzraster, die Lehrkräfte müssen dennoch den Stoff durchbringen, der in den Lehrplänen zu finden ist.
Oftmals wird dafür ein entsprechendes Lehrbuch gesucht, das den Lehrstoff am effektivsten darstellt. In letzter Konsequenz wird der Stoff dieses Lehrbuchs anschließend durch die Anzahl der Schulstunden dividiert, um den Lehrplan zu erfüllen. Am Ende dieses Prozesses stehen SchülerInnen, die theoretisch unglaublich viel Faktenwissen angesammelt haben, aber eigentlich orientierungslos sind, wie sie es umsetzen können.
Ich erinnere mich an dieser Stelle an meinen Biologieunterricht. Vom Aufbau der Zellen oder dem Ökosystem habe ich damals wenig gelernt, oder besser, ich kann mich an wenig erinnern. Meine große Stärke war stets, dass ich mir große Textmengen merken konnte. Bei den Tests in Biologie habe ich diese Fähigkeit wunderbar umgesetzt. Kurz: Ich habe die Dinge auswendig gelernt. Diese Taktik war so effektiv, dass damals mein Lehrer davon ausging, ich würde schummeln. Als ich ihm die gefragte Textstelle des Buches aufsagen konnte, war er überzeugt.
Was können wir damit machen?
Wenn unsere SchülerInnen etwas lernen, fehlt oft der praktische Bezug. Die Verknüpfung von Theorie und Anwendung könnte etwas stärker forciert werden. Ein Beispiel: Wie viele theoretische Konzepte in der Mathematik finden in der Physik ihre Anwendung? Vermutlich wesentlich mehr als wir vermuten. Viele SchülerInnen nehmen gerade in den letzten Schulstufen Nachhilfeunterricht in Mathematik, weil sie sich unter den theoretischen Konzepten nichts vorstellen können.
Wenn aber zum Errechnen der aktuellen Geschwindigkeit eines Objekts in der Physik plötzlich die Integralrechnung aus der Mathematik zur Anwendung kommt, verlieren die Integrale ihren Schrecken. Vielleicht erscheinen sie dann weniger abstrakt. Deswegen ist der fächerübergreifende Ansatz in der Schule so essentiell. Die Fähigkeit, verknüpft zu denken, kann somit leichter vermittelt werden. Hier würde es sich um eine der „berühmten“ Kompetenzen handeln.
Kompetenzen zeigen wie …
Mein Ansatz ist ein pragmatischer. Das theoretische Wissen, das wir in der Schule vermittelt bekommen, kann erst dann länger „behalten“ werden, wenn es eine praktische Anwendung bekommt. Es ist ähnlich wie beim Erlernen einer Sprache. Ohne sie zu verwenden, verlernen wir diese. Daher geht es aus meiner Sicht um eine Symbiose von Theorie und Praxis, um zu zeigen, was mit dem theoretisch angesammelten Wissen erreicht werden kann.
Die Frage stellt sich erst in zweiter Linie
Ob das übergeordnete Ziel der schulischen Bildung der Erwerb von Wissen oder Kompetenzen ist, dürfte im Alltag der SchülerInnen weit weniger entscheidend sein, als es den Anschein hat. Natürlich ist es aus meiner Sicht zielführender, wenn die Vermittlung von Kompetenzen im Vordergrund steht. Und wenn ich beobachte, wie schnell sich das Wissen in der heutigen Zeit adaptiert, scheint es notweniger zu sein, mehr auf die Kompetenzen zu schielen. Aber auch im Unterricht wird Faktenwissen benötigt, um sie effektiv zu vermitteln. Heute möchte ich die Frage, welches Ziel der Unterricht verfolgen sollte, so beantworten: Das übergeordnete Ziel der Schulbildung ist die Vermittlung von Kompetenzen. Aber das funktioniert nur, wenn sie für ein spezielles Wissen angewandt werden …