Wenn die digitalen Kompetenzen zum Rüstzeug des 21. Jahrhunderts gehören, sollten die SchülerInnen mit ihnen ausgestattet die Schule verlassen. Doch wie vermitteln die Pädagoginnen und Pädagogen digitale Kompetenzen im Unterricht? Wer glaubt, dass deren Vermittlung an technischen Spielereien und an der Infrastruktur liegt, hat die Rolle der Pädagogik noch nicht ganz verstanden. Die Eröffnung einer fortschrittlichen Lernumgebung an der PH Wien gestern hat mich zum Nachdenken gebracht.
Was ist digital, was analog?
Gemeinhin werden unter digitalen Lerninhalten jene verstanden, die durch „neue Medien“ zum Ausdruck gebracht werden. Analoge Lerninhalte sind hingegen jene, mit denen vermutlich auch Sie, meine LeserInnen, unterrichtet wurden. Bücher, Hefte und die bewährte Schiefer- oder Grüntafel. Der Begriff der digitalen Lerninhalte bedarf einer näheren Beleuchtung. Vorweg ist es irritierend, von neuen Medien zu sprechen, zumal diese längst in unserem Alltag integriert sind. Die daraus folgenden Inhalte sind folgerichtig ein wesentlicher Bestandteil unserer Medienverwendung und unseres Medienkonsums.
Man könnte daher streiten, ob die Bezeichnungen digital und analog noch zeitgemäß sind. Aus den Alltagserfahrungen können wir glaubhaft den Standpunkt vertreten, dass nichts mehr wirklich analog ist. Sogar die „analoge“ Zeitung wurde digital erstellt. Und um genau dieses Verständnis geht es. Es könnte auch ein binäres Denkmuster als digital bezeichnet werden, das dem analogen diametral gegenüberstünde. Was ich damit zum Ausdruck bringen möchte ist, dass die Grenzen der bekannten Nomenklatur verschwimmen.
Aufbrechen der bekannten Strukturen
In der Pädagogik geht es primär nicht um die vermittelten Inhalte, sondern um die Art der Vermittlung. Inhalte unterliegen Änderungen im Zeitraffer. Vermutlich produziert ein Suchbegriff in der Suchmaschine ihres Vertrauens morgen wesentlich mehr Treffer als heute. Wie diese Inhalte an die Frau und an den Mann gebracht werden, ist aber entscheidend. Grundsätzlich müssen wir weg vom LehrerInnen-zentrierten, hin zum SchülerInnen-zentrierten Unterrichtsbild. In der Folge lernen wir, dass die pädagogische Interaktion mehrstufig stattfindet.
Es ist daher zweckmäßig, Zonen der Interaktion, Kollaboration, Kreation, Forschung, Entwicklung und Präsentation zu schaffen. All diesen Zonen ist das Element der Reflexion gemein. Wenn in diesem Setting noch moderne Technologien den pädagogischen Prozess unterstützen, umso besser. Aber dieser Prozess hätte auch schon gut vor 20 oder 30 Jahren funktioniert. Genau hier ist der Unterschied zu den skandinavischen Ländern zu suchen. Sie haben grundlegend die Natur der pädagogischen Interaktion in Frage gestellt und in weiterer Folge reformiert. Daher schneiden sie in den P.I.S.A.-Tests so gut ab. Sie haben bereits „digitale“ Lernmuster propagiert, da waren wir noch weit von der Einführung „neuer“ Medien entfernt.
Bei den SchülerInnen fängt es an …
Jede pädagogische Ausbildung, welche die SchülerInnen ins Zentrum der Interaktion rückt, ist zu unterstützen. Über die letzten Jahre habe ich einige VertreterInnen pädagogischer Hochschulen kennenlernen dürfen, die ähnlich denken und dieses Prinzip an ihre Studierenden weitergeben. Als ich 2012 kurz nach der Eröffnung des Future Classroom Labs (FCL) in Brüssel war, meinte einer der anwesenden Lehrer, dass der Auftrag an seine KollegInnen in diesen Räumlichkeiten sein müsse, mit den vorliegenden Möglichkeiten die Vermittlung des Lehrstoffs völlig neu zu konzipieren. Etwas Ähnliches haben wir uns damals bei der Konzeption des FCLs erwartet. Nun scheint dieses Prinzip langsam auch den Weg in die pädagogische Ausbildung zu finden und damit breitenwirksam zu werden. Denn am Ende des Tages reicht nicht das Erzählte (in der Politik, Anm.), sondern zählt das Erreichte …