Mich stört es, wenn unsere politischen VertreterInnen Birnen auf Tannenbäumen versprechen (Abwandlung eines polnischen Sprichworts, Anm.). Aber noch mehr stört mich, wenn die Funktionsweise unserer Demokratie nicht verstanden wird. Mir ist das in der Vergangenheit bei PolitikerInnen verschiedener Parteien aufgefallen und aktuell bei jener, die in Österreich die Umfragen anführt. Und jedes Mal weise ich darauf hin. So auch dieses Mal.
Es heißt nicht umsonst Nationalratswahl
Die Regierungsspitze wird bei uns nicht gewählt. Selbiges gilt auch für Koalitionen. Und bei der Ernennung der Regierung beziehungsweise beim Auftrag zur Regierungsbildung hat das österreichische Staatsoberhaupt theoretisch völlig freie Hand. Wie kommt Sebastian Kurz im Sommergespräch mit dem ORF also darauf, es würde sich um eine Direktwahl handeln und die letzten direkt gewählten Politiker wären Werner Faymann und Michael Spindelegger? Zur Erinnerung: Auch sie wurden nicht direkt gewählt.
Klar, das Wort „Direktwahl“ ist nie gefallen, aber es besteht die Grundhaltung, die führenden PolitikerInnen würden vom Volk gewählt werden. In Österreich werden aber Wahllisten gewählt, die üblicherweise von den Parteien entsandt werden. Und diese waren während der letzten Nationalratswahl mit den heutigen ident. Von den im Parlament vertretenen Parteien hat nur eine ihren Listennamen für die kommende Nationalratswahl geändert.
Der Wunsch nach Erneuerung
Ich verstehe den Wunsch, etwas verändern zu wollen. Ich habe ihn auch. Allerdings wäre mir lieber, die politischen VertreterInnen würden seriöse Sacharbeit leisten, als sich auf Kosten der SteuerzahlerInnen in Scharmützel zu verstricken. Eines muss uns auch als BürgerInnen bewusst sein: Was Parteien vor der Wahl versprechen, ist nur umsetzbar, würden sie alleine regieren.
In der Realität müssen Kompromisse in den Positionen gefunden werden. Sich in diesem Zusammenhang gegenseitig keinen Erfolg zu gönnen, schürt eher das Bild, dass nur eigene Interessen verfolgt werden. Und mit staatspolitischer Verantwortung hat das ebenfalls sehr wenig zu tun. Denn dem Wunsch nach Erneuerung kann am besten durch lösungsorientierte Arbeit entsprochen werden.
Unsere Verantwortung
Manchmal komme ich mir wie ein Priester bei der Predigt vor. Jene, die ich erreichen will, betreten selten Kirchen und jene, die kommen, müssen nicht mehr überzeugt werden. Auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Aber wir WählerInnen müssen die Verantwortung endlich übernehmen und nicht abgeben. Wenn ein/e PolitikerIn etwas missversteht, müssen wir ihn/sie daran erinnern, uns zu dienen und nicht umgekehrt. Das bedeutet, dass wir BürgerInnen Konzepte verlangen müssen, oder diesen PolitikerInnen die Stimme verwehren.
Persönlich bin ich auch ein Fan von JournalistInnen, die sofort klare Antworten haben wollen und sich nicht von den interviewten PolitikerInnen ablenken lassen. Jene Interviews in Zeitungen oder im TV, die hart geführt werden, bereiten mir als Leser und Zuseher die meiste Freude. Egal von welcher Couleur und welcher Gesinnung, als wählender Bürger erwarte ich klare Antworten. Meine Hoffnung: Vielleicht werden dann die Erwartungen ins rechte Licht gerückt …