Vermutlich handelt es sich um eines der wichtigsten Zukunftsthemen. In den Wahlkämpfen in Österreich und in Deutschland spielt sie aber nur eine untergeordnete Rolle. Die Bildung beeinflusst die gesellschaftliche Entwicklung nachhaltig über Generationen hinweg. Doch anstatt sich mit der Bildung der Zukunft auseinanderzusetzen, rücken die Themen Sicherheit und Migration ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Vielleicht handelt es sich hier um einen historischen Fehler.
Die Bildung formt die Haltung
Eine gute Bildung fordert die jüngsten MitgliederInnen einer Gesellschaft. Die Angst weicht der kritischen Auseinandersetzung und der unkontrollierte Hass einer humanistischen Haltung. Es geht um die langfristige gesellschaftliche Entwicklung. Die Bildung ist langfristig, Ängste temporär. Die WählerInnen sehen oft nicht den Nutzen bildungspolitischer Maßnahmen während einer Regierungsperiode. Doch sie nehmen Steuerveränderungen und sicherheitspolitische Maßnahmen wahr. Dass mit diesen Themen daher Wahlen gewonnen werden, liegt auf der Hand.
Die „Was-für-mich-gut-war-Illusion“
Was für mich gut war, kann für mein Kind nicht schlecht sein, oder? Doch es handelt sich um einen Trugschluss. Würden Sie sich von einer/einem durchschnittlichen Ärztin/Arzt der Jahrhundertwende behandeln lassen? Auch mit den neuesten Geräten wäre das Ergebnis ähnlich zu den antiquierten Methoden, weil lieber auf das Altbewährte zurückgegriffen würde. Ähnlich verhält es sich mit der Bildung.
Wir haben zwar an manchen Standorten neue Unterrichtsmittel, aber noch die alten Konzepte, diese einzusetzen. Daher spreche ich bewusst von einer Illusion. Unsere Kinder finden sich trotz einer veränderten Welt zurecht. Aber dem Bildungssystem ist das oft nicht geschuldet.
Die Besetzung der Nische
In Deutschland möchte Martin Schulz (SPD) und in Österreich wollen die NEOS mit einer aktiveren Bildungspolitik punkten. In beiden Fällen dürfte es sich um den Versuch handeln, mit einem Thema fernab des üblichen Kanons anderer Parteien zu punkten. Mich stimmt es traurig, dass von der Bildung als Nische gesprochen wird. Eigentlich ist es ein Beleg für die Kurzsichtigkeit der politischen VertreterInnen, die Prioritäten nicht dort zu verorten.
Mit der Bildung werden keine Wahlen gewonnen und dass Maßnahmen auf diesem Gebiet erst spät zu erkennen sind, macht sie außerdem noch zu einem politisch undankbaren Thema. Noch heute sprechen wir in Österreich davon, dass unter Bruno Kreisky alle SchülerInnen zu Schulbüchern Zugang erhalten haben. So nachhaltig wären eigentlich wohlüberlebte Initiativen in der Bildung.
Was lerne ich über unsere Gesellschaft?
Das Hemd ist vielen näher als der Rock. Obwohl der Rock eigentlich wesentlich länger getragen wird. Wenn kurzsichtige PolitikerInnen gewählt werden, denken auch wir BürgerInnen größtenteils kurzsichtig. Im gleichen Atemzug beschweren wir uns aber über die fehlenden Visionen unserer VolksvertreterInnen.
Also was jetzt? Wählen wir nachhaltige Strategien oder das Bedürfnis nach Macht? Verlangen wir als BürgerInnen nachhaltige Konzepte, oder folgen wir doch lieber populistischen Aussagen? Eine Demokratie bekommt immer die RegierungsvertreterInnen, die sie verdient. Dass die Bildung nur eine untergeordnete Rolle spielt, macht mich daher nachdenklich …