Im letzten November zeigten mir SchülerInnen, wie man sich unvoreingenommen der Politik nähert. Im Vorfeld der österreichischen Präsidentschaftswahl sahen einige SchülerInnen des BG/BRG Klosterneuburg eine Diskussion der beiden Kandidaten, bewerteten sie anhand von Fragebögen und fällten danach ihre rationale Entscheidung. Sie waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht wahlberechtigt, doch demonstrierten sie, wie man sich der Politik verantwortungsvoll nähert. Wir könnten uns davon etwas abschneiden.
Immun gegen Populismus
Aus irgendeinem Grund verspüren Jugendliche ihre staatspolitische Verantwortung als WählerInnen. Gerade vor ihrer ersten Wahl informieren sich viele von ihnen gründlich und nehmen vorbereitet ihr demokratisches Recht wahr. Deswegen dürften sie gegen taktische Spielchen von politischen VertreterInnen zum Zwecke der Verblendung beinahe immun sein. Was zählt, ist der Inhalt und dessen Wahrheitsgehalt.
Bei uns Erwachsenen spielt der Inhalt in der aktuellen Tagespolitik oft eine untergeordnete Rolle. Wir bewerten, wie die KandidatInnen gekleidet sind, sich präsentieren können und rhetorisch auftreten. Dass wir Erwachsene oft gar nicht mehr so auf Inhalte sondern Schlagzeilen schielen, merkt man schon an der Taktik des aktuellen ÖVP-Parteichefs, bisher kein stringentes Wahlprogramm vorzulegen.
Sachlich bewerten
Die Herangehensweise von NeuwählerInnen an eine Wahl hat ihren ganz besonderen Charme. Als ob sie sich gewissenhaft auf eine Schularbeit vorbereiten würden, studieren sie die Faktenlage, definieren, was für sie wichtig ist, prüfen, ob die geforderten Inhalte stringent sind und kombinieren anschließend ihre Recherchen zu einer Wahlentscheidung. Interessant ist vor allem, dass dabei die sachliche Bewertung im Vordergrund steht.
Manchmal hat es seine Vorteile, sich unbedarft einer Thematik zu nähern. Ich könnte argumentieren, dass wir unsere demokratische Verpflichtung erst dann richtig wahrnehmen, wenn wir jedes Mal unsere Wahlentscheidung nach diesem Muster fällen. Viel zu sehr sind wir in Gewohnheitsmustern festgefahren und lassen uns dann oft durch emotionale Aussagen irritieren.
Emotionen nicht beachten
Apropos Emotionen: Aus politikwissenschaftlicher Sicht finde ich es befremdlich, wenn Emotionen zur Wahlentscheidung signifikant beitragen. Natürlich sind uns manche KandidatInnen sympathischer als andere. Aber temporäre Emotionen - meistens von PopulistInnen geschürt - als Entscheidungsgrundlage für eine Nationalratswahl heranzuziehen, ist gerade vor dem Hintergrund irrational, dass die Legislaturperiode des Nationalrats fünf Jahre andauert, Emotionen aber sicher nicht.
Wissen Sie noch, welche Emotionen vor der letzten Wahl geschürt wurden? Ich erinnere mich zum Beispiel, dass es frischen Wind durch die Kandidatur der NEOS und einen ziemlichen Hype um das Team Stronach gegeben hat. Was ist davon geblieben? Aus diesem Grund genieße ich auch aktuelle Umfragewerte mit äußerster Vorsicht. Denn auch diese sind Momentaufnahmen hochgekochter Emotionen.
Wählen wie beim ersten Mal
Beim Besuch des Projekts mit den SchülerInnen des BG/BRG Klosterneuburg habe ich erlebt, wie die demokratische Verantwortung gewissenhaft wahrgenommen werden könnte. Als Erwachsene haben wir den großen Vorteil, über sehr viel mehr Erfahrungswerte im politischen System zu verfügen. Paaren wir diese Erfahrung mit der sachlichen Herangehensweise von verantwortungsvollen ErstwählerInnen, sind wir vermutlich unempfänglicher für Populismus. Unserer Demokratie kann das nur guttun.