Vielleicht habe ich einfach nur vor meiner Vergänglichkeit Angst. Vielleicht bringen mich Besuche auf einem Friedhof dazu, nachzudenken. Ob ich mein Leben so führe, wie ich es mir früher vorgestellt habe? Nein, denn das wäre illusorisch. Aber führe ich mein Leben derart, dass ich mit Stolz behaupten könnte, ich leiste meinen Beitrag? Manchmal tut so ein Realitätscheck während eines Besuches auf einem Friedhof gut.
Tiefer Respekt
Wenn mich jemand einlädt, beim letzten irdischen Weg eines geliebten Familienmitglieds dabei zu sein, fühle ich mich privilegiert. Das ist ein schwieriger Moment für die Angehörigen. Die Trauergäste ringen mit Samthandschuhen nach den richtigen Worten und die Angehörigen der/des Verstorbenen versuchen das Unbegreifliche zu begreifen. Selten wird einem die eigene Vergänglichkeit so deutlich präsentiert, wie bei einem Begräbnis.
Wir werden daran erinnert, dass die Zeit, die wir hier verbringen dürfen, begrenzt ist. Sich dessen bewusst zu sein, hat sein Gutes. Wir werden darauf aufmerksam gemacht, unsere Fähigkeiten nicht zu verschwenden. Wir haben nur ein begrenztes Zeitfenster zur Verfügung, um die Welt positiver zu gestalten, oder zumindest unseren Beitrag dafür zu leisten.
Drei Dinge, die ich beachte
Im Spätherbst meines eigenen Lebens möchte ich einmal sagen können, dass ich vielleicht nicht alles erreicht habe, was ich erreichen wollte, aber ich habe alles in meiner Macht Stehende getan. Unsere nachfolgenden Generationen werden eine andere Welt vorfinden, als sie uns bekannt ist. Daher stelle ich mir erstens die Frage, was mein effektiver Beitrag zur Verbesserung des Status Quo ist. Konzepte des halbwegs nachhaltigen Lebens und des Ressourcen-schonenden Umgangs mit der Umwelt zu verfolgen, sehe ich als meine Pflicht an.
Zweitens versuche ich den Menschen mit dem Respekt gegenüber zu treten, den ich mir von ihnen erwarte. Ich bin ehrlich: In ganz seltenen Fällen gelingt mir das nicht, aber dann beruht das auf Gegenseitigkeit und ich kann damit leben. Doch es kann alles viel schneller vorbei sein, als man gegenwärtig glaubt. Daher bin ich darum bemüht, mit den Menschen in meinem Umfeld fair umzugehen.
Drittens stecke ich mir konkrete Ziele und versehe sie mit einer Deadline. Das kreiert eine gewisse Dringlichkeit. Ich glaube zwar, dass bestimmte Ideen ihre Zeit haben, aber damit diese Ideen in der Schublade bereitliegen, muss ich im Vorfeld einiges an Energie in sie investiert haben. Danach fällt es mir leichter, den richtigen Zeitpunkt abzuwarten.
Bewusst leben
Bis das Gegenteil bewiesen ist - so meine Haltung - leben wir nur einmal. Es liegt in meiner Verantwortung meiner Familie und mir selbst gegenüber, aus meinem Leben möglichst viel zu machen. Ich habe einmal gehört, dass man kurz vor seinem Ableben stets die Dinge bereut, die man nicht getan hat. Vielleicht ist es unsere Aufgabe, in regelmäßigen Abständen unser Leben einer kurzen Überprüfung zu unterziehen. Stimmen meine Ziele noch? Verfolge ich sie konsequent? Suche ich meinen Platz in dieser Welt und gehe ich mit meinem Umfeld, Menschen und Umwelt, fair um?
Wenn ich auf Friedhöfen die Gräber der verstorbenen Mitmenschen sehe, fühle ich mich „klein“. Denn ich stehe hier zwischen unzähligen Lebensgeschichten von Menschen, die ihren Platz auf dieser Welt gesucht und ihre Spuren hinterlassen haben. Ich werde mir meiner eigenen Vergänglichkeit bewusst und verspüre den Drang, meine nachhaltige Spur zu hinterlassen. Die nachfolgende Generation kann dann beurteilen, ob dieses Vorhaben erfolgreich war.