Ganz habe ich sowieso nie daran geglaubt, denn was Sebastian Kurz den islamischen Kindergärten vorwirft, widerspricht eigentlich dem Koran. Wie der FALTER berichtet, wurde die berühmt gewordene Vorstudie zu islamischen Kindergärten von Ednan Aslan zu politischen Zwecken seitens des Außenministeriums „frisiert“ und teilweise umgeschrieben. Damit wurde sie politisch verwertbar und führte zu einem für die ÖVP ungewohnten Islam-Bashing.
Der Vorwurf
Der FALTER legt Word-Files aus dem Korrekturmodus vor, aus denen nachvollziehbar ist, dass Beamte des Außen- und Integrationsministeriums die Studie teilweise umgeschrieben, verschärft oder verzerrt haben. So heißt es beispielsweise in der Originalfassung, dass die Kinder in Islam-Kindergärten „selbstständig, respektvoll und liebevoll erzogen“ werden sollen. Beamte haben diese Passage umgeschrieben. Es ginge den Eltern darum, ihre Kinder „vor dem moralischen Einfluss der Mehrheitsgesellschaft zu schützen.“
Ein anderes Beispiel: „Muslimische Eltern suchen in den Islam-Kindergärten für ihre Kinder Werte wie Respekt, Gelassenheit, Individualität des Kindes, Hygiene, Zufriedenheit der Kinder, Pünktlichkeit, Liebe, Wärme und Geborgenheit, Selbstständigkeit und Transparenz der Regeln.“
(https://www.falter.at/archiv/wp/frisiersalon-kurz 05.07.2017)
Die manipulierte Version: „Besonders wichtig ist ihnen (den Eltern, Anm.), dass den Kindern islamische Werte vermittelt werden.“ Unter „Islamische Werte“ lässt sich sehr viel subsumieren. In Presseaussendungen und TV-Interviews wurde Kurz dann auch nicht müde, genau das zu betonen.
Mehr als eine schiefe Optik
Natürlich werden wir jetzt Zeugen des üblichen Politschauspiels. Beamte des Ministeriums werden sagen, Kurz hätte davon nichts gewusst oder hätte gar nichts wissen können und sein Ruf bleibt halbwegs unangetastet. Soll ich diesem Schauspiel glauben? Denn entweder hätte Kurz sein eigenes Ministerium nicht im Griff, was mich schaudern lässt, wenn ich daran denke, welches Amt er anstrebt, oder die Erklärung ist noch einfacher: Er lügt. Nachdem ich niemandem a priori eine Lüge unterstelle, bleibt der Vorwurf bestehen, er hätte sein Ministerium nicht im Griff.
Soll ich als Wähler glauben, er könne seine eigene Partei kontrollieren oder im Amt des Bundeskanzler mit dann 31 Jahren dieses Land führen, wenn er nicht einmal weiß, was in seinem Ministerium passiert? Es gibt Budgetobergrenzen für Projekte, deren Freigabe verschiedene Stellen erteilen können (Budgetrichtlinien des Bundes, Anm.). Bei einem Betrag von 36.000 Euro - so viel kostet die Studie - muss die Freigabe durch den/die MinisterIn erfolgen und es ist zweifelhaft, dass er nachher nichts von manipulierten Ergebnissen wusste. Nur bei wesentlich geringeren Beträgen können eine Abteilung oder die SektionsleiterInnen eine Beauftragung aussprechen.
Eigentlich wäre das Ende erreicht, aber …
Stolpert ein/e MinisterIn über einen derartigen Fauxpas oder gar Skandal, ist die Karriere normalerweise beendet. Noch dazu, wenn die Integrität der wissenschaftlichen Forschung untergraben wird. Die Frage ist nur, ob die politischen GegnerInnen von Sebastian Kurz daraus Kapital schlagen können. Die FPÖ wird diesen Kampf nicht anführen, wenn die manipulierte Vorstudie eigentlich die Argumente der Freiheitlichen unterstreicht. Und ob die anderen Parteien die Gunst der Stunde erkennen, ist ob der bevorstehenden Sommerpause mehr als fraglich.
Ironisch, oder?
Die ganze Situation ist umso ironischer, zumal der Außenminister kürzlich beim Ö3-Frühstück mit Claudia Stöckl meinte, dass man sich in der Politik stets eine Studie zur Untermauerung des eigenen Standpunkts schreiben lassen kann. Dafür wurde nun die Expertise der Universität Wien missbraucht. Diese prüft die Studie nun nach wissenschaftlich formalen Kriterien. Wenn eine Universität etwas abwenden möchte, ist es der Verdacht der politischen Einflussnahme auf ihre wissenschaftliche Forschung.
Ist das Image beschädigt?
Das Image des Umfrage-Kaisers ist durch diese Enthüllungen angekratzt. Eigentlich war die parteiinterne Taktik der „neuen“ ÖVP, ihren Spitzenkandidaten aus dem politischen Alltagsgeschäft herauszuhalten, um die guten Umfragewerte als Minister in die nächste Wahl mitzunehmen. Doch nun kann ihm eine fachlich fahrlässige Haltung als Minister vorgeworfen werden. Egal, ob er von den Manipulationen der Studie wusste oder nicht. Als RessortministerIn trägt man die Verantwortung und es sind schon andere MinisterInnen auf internen Ungereimtheiten ausgerutscht.
Im Rahmen der vorwissenschaftlichen Arbeit in der Schule und beim Verfassen von Seminararbeiten, der Diplomarbeit oder der Dissertation an der Universität wird das wissenschaftlich präzise Arbeiten deutlich von Verallgemeinerungen und nicht fundierten Vermutungen unterschieden. Doch vielleicht fehlt dieses Verständnis, wenn das eigene Studium nicht beendet wurde und diese fundierte, wissenschaftliche Auseinandersetzung fehlt …