Evolutionstheorie zu komplex?

Darstellung der Evolutionstherrie
Quelle: https://pixabay.com/de/entwicklung-entwickelt-sich-1295256/ 25.06.2017

Diese Schlagzeile ging am Wochenende fast unter. Die türkische Regierung will die Evolutionstheorie aus dem Unterricht streichen. Sie sei zu kontrovers und zu komplex. Die SchülerInnen würden sie ohnehin nicht verstehen. Hinter diesem Zynismus scheint sich eine religiös motivierte Haltung zu verbergen, die auf Glaubenssätze baut, statt Fakten bereitzustellen. Neu ist diese Haltung nicht, aber in der Bildung hat sie eigentlich nichts verloren.

Schon George W. Bush hinterfragt Evolutionstheorie

Bereits in den frühen 2000er Jahren erklärt George W. Bush vor Studierenden, dass die Evolutionstheorie nach Charles Darwin falsch sei und der Mensch von Gott abstammt. Mit derartigen Statements werden offenbar religiöse Gruppen an die Wahlurne gelockt, die im Zweifelsfall den Unterschied zwischen Gewinn und Verlust einer Wahl ausmachen können. Ob Bush selbst an diesen verbreiteten Humbug glaubte, ist nicht bekannt, darf aber bezweifelt werden.

Auch in Europa ist vor der Zeit Darwins der Glaube weit verbreitet, dass wir Menschen direkt von Gott abstammen. Erst durch die Evolutionstheorie und die Genforschung kann später belegt werden, dass alle Säugetiere über eine ähnliche Genstruktur verfügen, die das Leben in der heutigen Form möglich macht. Darwins nicht zu ersetzende Leistung besteht darin, die Entwicklung des komplexen Lebens über die Erdgeschichte hinweg aufzuzeigen.

Religion als Erklärungsmodell

Mönch betet
Quelle: https://static.pexels.com/photos/127585/pexels-photo-127585.jpeg 25.06.2017

Ist das zu kompliziert für SchülerInnen? Wir lehren sie auch die Bestandteile der Desoxyribonukleinsäure (DNS) und wie einzelne Organismen, von Einzellern bis zu komplexen Lebensformen, aufgebaut sind. Die Evolutionstheorie nach Charles Darwin wurde in meiner Schulzeit in mehreren Schulfächern behandelt und ich bezweifle, dass das heute anders ist. Man erhält einen fundierten Einblick in Erklärungsmechanismen und hinterfragt gleich im Anschluss Bibel-Zitate im Religionsunterricht. Der Samen des kritischen Denkens ist damit gesät.

In der Schule entsteht ein gesunder Konflikt zwischen den vermittelten Glaubenssätzen des Religionsunterrichts und dem Faktenwissen, das uns in der Biologie näher gebracht wird. Geraten die religiösen Modelle in Erklärungsnot, entsteht ein lebhafter Diskurs. Wird ein so umfangreiches Themengebiet aus dem Unterricht gestrichen, wird dieser Diskurs unterbunden und religiöse Erklärungsmodelle treten wieder in den Vordergrund. 

Wo ist der Bildungsauftrag?

Vor dem Hintergrund der Forderung nach der Schließung islamischer Kindergärten in Wien erhält diese Debatte eine neue, interessante Facette. Infiltriert die türkische Regierung die Bildungspolitik, indem sie zentral steuert, welche Themen gestrichen werden? Welche Motive stecken dahinter? Recep Tayyip Erdogan begann seine politische Laufbahn als erzkonservativer Politiker, der den Islam als Erklärungsmodell für sehr viel heranzieht. Später relativiert er als Bürgermeister von Istanbul seine öffentliche Haltung und inszeniert sich liberaler. Doch der Prozess der Islamisierung ist unter seiner Ägide seit einigen Jahren zu beobachten.

Bildungsauftrag
Quelle: https://static.pexels.com/photos/267491/pexels-photo-267491.jpeg 25.10.2017

Die Schule sollte ein parteipolitisch freier Raum sein. „Sollte“ deshalb, weil auch in Österreich die Bestellung leitender Posten im Schulsystem in vielen Fällen politisch motiviert ist. Inhaltlich geht es darum, den SchülerInnen möglichst viele Informationen neutral zur Verfügung zu stellen, damit später mit Hilfe des kritischen Denkens eine eigene Meinung gebildet werden kann. Und genau das ist der Punkt! In der Schule sollte nicht eine Meinung, sondern die Kompetenz des kritischen Denkens vermittelt werden. Die angestrebte Mündigkeit der SchülerInnen lässt sie danach ihre Meinung formulieren. Wird dieser Prozess untergraben - die Türkei dürfte diesen Schritt gehen - wird ein wesentliches Bildungsziel verfehlt.

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