Jetzt also doch. Das Schulautonomie-Paket der Regierung wurde mit den Stimmen der Grünen zur Abstimmung gebracht und verabschiedet. Es ist eine Reform, die alles andere als optimal ist, viel Luft nach oben offen lässt und das mögliche Potenzial andeutet. 100 Prozent hat niemand bekommen, doch es wurden ideologische Schatten überwunden. So setzen die Grünen ihren Vorschlag zur Schaffung einer Modellregion für die Gesamtschule in Vorarlberg durch.
Jede/r sieht Verbesserungspotenzial
Harald Walser von den Grünen, hätte sich mehr Reformen gewünscht. Christian Kern und die SPÖ hätten lieber noch weniger politischen Einfluss durch die Landeshauptleute gesehen und die ÖVP in Wien hätte lieber auf die Umsetzung der Modellregion in Vorarlberg verzichtet. Politisch ist diese Reform der kleinste gemeinsame Nenner.
Auch die NEOS sehen längst überfällige Reformpunkte umgesetzt und sogar das Team Stronach spricht von einem Reförmchen. Schnell genug scheint es niemandem zu gehen, in welche Richtung auch immer. Nur die FPÖ verweigert diese Reform kategorisch. Sie sieht in ihr nichts Gutes. Aber in der Bildungspolitik habe ich das Fehlen von Konzepten der FPÖ schon länger vorgeworfen.
Eigentlich beschämend
Eigentlich ist es fast peinlich, dass man vier Jahre für diesen Minimalkompromiss benötigt. Man streitet über Ankündigungen, spielt politische Spiele auf dem Rücken der Kinder und versucht, die jeweiligen Schafe ins Trockene zu bringen. In der österreichischen Realpolitik bedeutet das, den Einfluss zu sichern. Das Ganze wirkt wie ein Marathon-Läufer, den 5 km vor dem Ziel die Kräfte verlassen. Er rettet sich ins Ziel, kann sich aber nicht so recht freuen.
Eine Reform sähe tatsächlich anders aus. Nicht, dass nicht viele gute Punkte durch die Schulautonomie umgesetzt werden. Das Denken in Prozessen ist den politischen VertreterInnen fremd, denn die Bildung ist eigentlich ein Prozess. Es werden stetig neue Konzepte eingebunden, evaluiert und möglicherweise verworfen. Aber über pädagogische Konzepte wurde in der Bildungsdiskussion leider nie gesprochen.
Der Beginn, nicht das Ergebnis
Wenn diese Bildungsreform als Ausgangspunkt eines Prozesses verstanden wird, ist sie durchaus gelungen. Wird sie als Ergebnis eines Veränderungsprozesses wahrgenommen, ist sie gescheitert. Das Paket zur Schulautonomie kann als Diskussionsgrundlage für weitere, längst notwendige Reformen gesehen werden. Allerdings ist die Voraussetzung, dass alle Beteiligten den Willen zur Veränderung haben. Ob das der Fall sein wird, ist zu hinterfragen. Die ÖVP springt über ihren eigenen ideologischen Schatten, indem sie die Gesamtschule in einer Region ermöglicht.
Die SPÖ wird sich damit schmücken, endlich irgendetwas weitergebracht zu haben. Um zur Analogie des Marathon-Läufers zurückzukehren: Kurz nachdem er das Ziel erreicht, wird er nicht völlig erschöpft das nächste Rennen in Angriff nehmen. Es ist auf das Drängen der Opposition zu bauen.
Struktur statt Inhalt
Noch immer wurde nicht diskutiert, welche Möglichkeiten bestünden, die pädagogische Interaktion in der Klasse zu öffnen. Wir führen keine Debatte darüber, wohin es mit der Bildung gehen soll. Worüber wir diskutieren, ist eine Reform der Struktur und der Sicherstellung des politischen Einflusses. Das nennen wir dann stolz Bildungsreform. Aber wenn man durch europäische Schulen geht, sieht man, was möglich ist. Und wenn wir nur einen kurzen Moment die SchülerInnen nach ihrer Vision der Schule der Zukunft fragen, erkennen wir, dass ihre Wunschvorstellung und bereits bekannte, innovative Konzepte gar nicht so weit auseinander liegen. Vielleicht stößt dieses Autonomiepaket an, über die pädagogische Ausrichtung nachzudenken.