Während meiner gesamten Kindheit und Jugend war er der deutsche Bundeskanzler. Helmut Kohl stand 16 Jahre lang der deutschen Bundesregierung vor. Gestern verstarb der Übervater der deutschen Politik, der sich bereits zu Lebzeiten einen Platz in den Geschichtsbüchern sicherte, im Alter von 87 Jahren. Als er 1998 durch Bundeskanzler Gerhard Schröder und einer rot-grünen Regierung abgelöst wurde, glich das einem Paradigmenwechsel. Er prägte nicht nur „sein“ System Kohl, sondern eine Zeit und die deutsche Wiedervereinigung.
Das Vermächtnis Kohls
In den Wendejahren nach dem Fall der Berliner Mauer, arbeitet er an der Wiedervereinigung der BRD und der ehemaligen DDR und versucht, einer gesamten Nation eine neue Identität zu geben. Dieser Prozess ist auch heute noch nicht abgeschlossen, bestehen nach wie vor strukturelle Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland. Auch unterschätzt er zum damaligen Zeitpunkt die Kosten für dieses politische Projekt.
Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung hilft ihm das später berühmt gewordene System Kohl, das er über Jahre hinweg aufgebaut und gepflegt hat. Er verlässt sich nicht auf die klassische Parteistruktur, sondern setzt auf eine gute Vernetzung mit den CDU-Orts- und Kreisvorsitzenden. Sie halten ihm die Treue, weshalb er über 16 Jahre lang der deutsche Kanzler sein sollte.
Auch international ist seine Vernetzung beachtlich. Michail Gorbatschow, Boris Jelzin, François Mitterand, George Bush sen. und Bill Clinton. Es scheint, als pflegt er zu allen Staatsoberhäuptern ein gutes Verhältnis und übt daher eine beruhigende Wirkung auf all jene aus, die an der deutschen Wiedervereinigung zweifeln. Er wird zur Integrationsfigur. Auch innerparteiliche Intrigen werden von seinem System erkannt, weshalb er Umsturzpläne verhindern kann.
Seine politischen Nachkommen
Bereits 1996 äußert er zum ersten Mal den Wunsch, nicht mehr als Kanzlerkandidat zur Verfügung stehen zu wollen. Wolfgang Schäuble soll sein Nachfolger werden. Doch nur Helmut Kohl wird die Chance eingeräumt, die schwarz-gelbe Mehrheit in den anstehenden Wahlen zu verteidigen, weshalb er noch einmal antritt.
Doch er verliert. In der 1999 bekannt gewordenen CDU-Spendenaffaire, emanzipiert sich die damalige Generalsekretärin der Partei, die später Deutschland ein neues Gesicht geben sollte. Bereits zum damaligen Zeitpunkt legt Angela Merkel den Grundstein für ihre 2005 beginnende Kanzlerschaft. Mittlerweile ist auch sie zwölf Jahre lang im Amt.
Tragisches Familienleben
1960 ehelicht er seine langjährige Frau Hannelore, die an einer unheilbaren Lichtallergie erkrankt und sich in der Folge im Jahr 2001 das Leben nimmt, um sich aus ihrer Gefangenschaft in der Dunkelheit zu befreien. 2008 heiratet er nochmal die 30 Jahre jüngere Maike Richter. In einem Interview mit dem Stern im November 2014 spricht er offen davon, zu seinen Söhnen leider kein gutes Verhältnis zu haben. Zu seiner zweiten Hochzeit sind sie nicht eingeladen.
Ein großer Politiker geht von uns
Helmut Kohl war ein Machtmensch und ein großer Politiker, auch wenn ich viele Ansichten der CDU nicht teile. Seine Vernetzung gilt heute noch als tief in der Partei verwurzelt. 28 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer steht sein politisches Vermächtnis in den Geschichtsbüchern. Er vereinigte ein Land, das fast ein halbes Jahrhundert lang baulich und ideologisch getrennt war. Die deutsche Wiedervereinigung ist fest mit dem Namen Helmut Kohl verbunden. 16 Jahre lang war er der Kanzler, den Deutschland brauchte …