Eine prolongierte Legislaturperiode von vier auf fünf Jahren stößt realpolitisch an ihre Grenzen. Aus dem hehren Vorhaben, den großen Reformbedarf dieses Landes anzugehen, entsteht nur eine Möglichkeit, Vorhaben politisch zu verschleppen. Die BürgerInnen können innerhalb einer Lebenszeit auch an weniger Nationalratswahlen teilnehmen. Die innere Uhr mancher ÖsterreicherInnen hat aber offenbar noch den politischen Vierjahres-Rhythmus. Jetzt soll nach vier Jahren wieder gewählt werden. Realpolitisch ist das konsequent, auch wenn es mir lieber wäre, die gewählten PolitikerInnen würden arbeiten statt sich Taktikgeplänkeln zu widmen.
Bildung als ambivalentes Beispiel
Bei einer Legislaturperiode von vier Jahren besteht ein höherer Arbeitsdruck, politische Vorhaben hinauszuschieben ist schwieriger - theoretisch. Aus der Perspektive der Bildung ist ein politischer Neustart tatsächlich kontraproduktiv, denn im politischen Austausch-Prozess der verschiedenen Interessen ist es als Erfolg zu verbuchen, dass überhaupt Bewegung in die Diskussion gekommen ist. Die avisierte Bildungsreform wird nun Autonomiepaket getauft.
Eine kostenneutrale Strukturreform soll hier in Angriff genommen werden. In diesem Politikfeld zeigt sich die Kompetenz-Konfusion zwischen dem Bund, den Ländern, den Landesschulräten und den jeweiligen Standorten am deutlichsten. Die Gewerkschaft der LehrerInnen (ÖVP dominiert, Anm.) hat da eher massive Vorbehalte. Es wäre an der Zeit, Minimalkompromisse umzusetzen, um einen Prozess in Gang zu setzen. Sonst finge man bei der nächsten Regierung wieder bei Null an.
Neuwahlen und Ratspräsidentschaft
Immer wieder wurde in der öffentlichen Diskussion eine vorzeitige Neuwahl mit der bevorstehenden EU-Ratspräsidentschaft Österreichs gerechtfertigt. Zugegeben, während einer Ratspräsidentschaft sind Wahlen zum Nationalrat nicht gerade ideal. In der öffentlichen Diskussion würde die Bedeutung der Ratspräsidentschaft und der EU mit dem nationalstaatlichen Interesse von Neuwahlen aufgewogen werden. Dem Ruf der Europäischen Union würde ein derartiges Vorgehen schaden.
Daher sehe ich einen veritablen Interessenkonflikt. Über eine funktionierende Ratspräsidentschaft sagen parallel stattfindende Neuwahlen allerdings nicht viel aus. Mit Donald Tusk wurde ein permanenter Ratspräsident eingesetzt, der die nationalstaatliche Bedeutung der EU-Ratspräsidentschaft früherer Jahre relativiert. Dem Ansehen der EU wären Wahlen allerdings nicht dienlich.
Fazit: Erst am Ende steht die Arbeit im Vordergrund!
Während der Legislaturperiode von fünf Jahren wird die meiste Zeit damit verbracht, taktische Geplänkel in den Vordergrund zu stellen. Bundes- und Vizekanzler werden ebenso ausgetauscht, wie MinisterInnen. Es wird sogar unterstellt, sogenannte „Sprengmeister der Regierung“ zu installieren, die gezielte Spitzen gegen den Koalitionspartner setzen. Das gilt für beide Seiten. In einigen Bereichen agiert man sachorientiert und versucht Lösungen zu finden. Doch egal wie bahnbrechend diese Lösungen sind, sie werden stets von Streitigkeiten innerhalb der Regierung überlagert und überschattet. So entsteht der Eindruck des permanenten Streits.
Doch kurz vor der Wahl, wenn üblicherweise „Wahlzuckerl“ verteilt werden, besinnt man sich des Arbeitsauftrages, den man von uns WählerInnen erhalten hat. Eine Wiederwahl der jeweiligen Partei soll durch vorzeigbare Ergebnisse gerechtfertigt werden. Wäre es nicht klüger, die Legislaturperiode auf vier Jahre zu verkürzen und wieder effektiv zu arbeiten? Eine Demokratie funktioniert nur dann, wenn die wählenden BürgerInnen bei der Stange gehalten werden. Nicht durch plumpen Populismus, sondern durch eine qualitative Auseinandersetzung mit der Materie. Dann würde Blendern der Wind aus den Segeln genommen werden. Wenn die Ergebnisse einer Regierung im Zentrum stehen, zählt das Erreichte und das Erzählte reicht nicht …