Da ich mich in der letzten Zeit intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetze, denke ich über unsere Verantwortung nach. Der Verantwortung, die wir unseren Kindern gegenüber haben, möglichst viel zu unternehmen, dass es ihnen noch besser geht als uns. Wir haben das Privileg, in die westlich Zivilisation geboren zu sein. Für uns ist „Krieg“ ein Fremdwort. Sozial sind wir nicht mit jenen Herausforderungen konfrontiert, wie Menschen aus wirklich armen Ländern. Zu helfen und das Bewusstsein dafür zu schärfen, wäre unsere Pflicht. Doch das Gegenteil ist der Fall.
Wenn Privilegien zur Voraussetzung werden
Aufgrund einer sehr langen Friedensphase haben wir es geschafft, einen gewissen Wohlstand aufzubauen. In unseren Breiten ist es eher die Ausnahme, dass man ums Überleben kämpfen muss. Für einen kurzen Moment sind wir von Bildern im TV geschockt, die das andere Leben zeigen. Jenes, das von Armut gekennzeichnet, durch Bürgerkriege geprägt und durch die oft lebensgefährliche Flucht beendet wird.
Bei uns gehen wir davon aus - vielleicht ist das jenes Recht, das unsere Vorfahren erarbeitet haben - dass es unseren Kindern keinesfalls schlechter gehen wird. Aber das soll keine Entschuldigung dafür sein, dass wir mit unserer Verantwortung so fahrlässig umgehen. Machen wir uns Gedanken darüber, wie beispielsweise unser Konsum das Leben der Menschen in Krisenregionen beeinflusst? Dass Kinder in Minen arbeiten oder einem chemischen Klebstoff ausgesetzt sind, damit wir unsere Smartphones verwenden oder unsere bequemsten Schuhe tragen können?
In unserer Gesellschaft glauben viele, das wäre das Recht, das wir uns erarbeitet hätten. Das Recht des Stärkeren. Die globale Wirtschaft wächst immer auf Kosten anderer. Unsere Gewinne, sind buchstäblich auf dem Rücken der Ärmsten erwirtschaftet. Geld vermehrt sich nicht in Bankschliessfächern und Renditen bei unserer Bank oder bei Wertpapieren müssen real erwirtschaftet werden. Der globale Handel hat es uns ermöglicht, unseren Startvorteil in Macht umzumünzen. Bewusst ist sich dessen niemand, leider. Wir gehen sogar so weit, dass wir unsere im Weltvergleich gesehenen Privilegien als gegeben ansehen.
Bewusst in den Fokus
Sind Seminare zur Selbstfindung und Selbsterfahrung nur ein Ausdruck der fehlenden Verbindung zu dem, was für uns wirklich wichtig ist? Wenn dem so ist, sollten wir uns eine andere Frage stellen. Nicht „Wie kommt das Glück zu mir?“, sondern „Wo ist mein Platz und was kann ich beitragen?“ Das gilt allgemein und könnte als Triebfeder der gesellschaftlichen Entwicklung dienen. Wenn wir uns nicht fragen, was wir beitragen können, wird das niemand anderer tun. Nur zu erwarten, dass sich alles von alleine löst oder irgendeine übergeordnete Instanz (meistens in Form der Politik, Anm.) korrigierend eingreift, ist zu wenig. Wie auch dieser Artikel zeigt, fängt alles bei uns an.
Doch wenn der Fokus auf unseren möglichen Beitrag gerichtet wird, bekommt die Identitätsfrage sofort einen Sinn. Letztlich ist es eine Frage des Respekts. Wenn ich Respekt vor anderen Menschen und ihrer Leistung habe, bezahle ich den angemessenen Preis für ein von ihnen hergestelltes Produkt, achte auf faire Bedingungen und respektiere deren Lebenswelt. Für mich leitet sich daraus nachhaltiges Verhalten ab.
Fazit: Klein anfangen!
Der US-amerikanische Theologe, Philosoph und Politikwissenschafter Reinhold Niebuhr sagte einst: „Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“ Vermutlich können wir wesentlich mehr ändern, als wir uns zutrauen, vor allem, wenn es zu einem Schneeballeffekt kommt.
Und wenn nicht dieser Schneeballeffekt sondern tatsächlich die Veränderung bei uns selbst unsere Motivation ist, ändern wir nachhaltig und langfristig etwas. Nämlich uns selbst. Wenn sich Menschen aus unserem Umfeld davon inspirieren lassen, ist das toll. Aber alles fängt im kleinen Rahmen an …