Heute begehen wir den Tag der Arbeit. Der 1. Mai ist in Österreich ein Staatsfeiertag. Vor genau einem Jahr wurde der damalige Bundeskanzler Werner Faymann während der traditionellen Rede des Vorsitzenden der Bundespartei der SPÖ ausgepfiffen. Später tritt er zurück und Christian Kern unternimmt alles, um die SPÖ zu „entkrusten". Nun ist der Wiener Bürgermeister Michael Häupl mit 77 Prozent wieder zum Chef der für die SPÖ wichtigsten Landespartei gewählt worden. Für eine Wahl ohne Gegenkandidaten ein äußerst schwacher Wert. Es gibt also genug Baustellen für die SPÖ.
Die Neuwahl-Keule
Die österreichische Bevölkerung ist es seit dem Amtsantritt des Kabinetts Gusenbauer gewohnt, im Wochenrhythmus mit der Drohung einer Neuwahl konfrontiert zu sein. Die Neuwahl-Keule, die regelmäßig von einer der Regierungsparteien geschwungen wird, ist an Lächerlichkeit nicht mehr zu überbieten. Ab einem gewissen Punkt nehme ich das nicht mehr ernst und dieser Punkt war vor einigen Jahren. Aber es scheint mittlerweile Tradition zu sein, dass das Thema Neuwahl ins Spiel gebracht wird, wenn auf einem bestimmten Gebiet keine Einigkeit erzielt werden kann.
Arbeiten will längst keiner mehr
Statt sich gegenseitig mit Anschuldigungen zu übertrumpfen, wäre es an der Zeit, produktiv zu arbeiten. Vor einigen Jahren wurde die Legislaturperiode von vier auf fünf Jahre verlängert. In meinen Augen ist das ein Bärendienst an der Demokratie. In der Kombination mit den Landtagswahlen entstünde beim Vier-Jahres-Rhythmus ein gewisser Arbeitsdruck. Vielleicht könnten in fünf Jahren größere Vorhaben umgesetzt werden. Doch die politische Realität zeigt, dass das nicht einmal für die kleineren Vorhaben zutrifft. Das Resultat sind fünf Jahre andauernde Grabenkämpfe um ideologische Fragen mit einem klaren Profiteur: Der rechtspopulistischen Opposition.
Das strategische Kalkül
Entgegen der meisten KommentatorInnen in Österreich fände ich eine Neuwahl aus Sicht der Regierungsparteien strategisch kritisch. In der ÖVP übernehmen gerade zwei NachfolgerInnen das Ruder von altgedienten Landesfürsten. Das führt automatisch zu einer Neupositionierung der ÖVP. Die Situation um die SPÖ ist hierbei nur geringfügig besser. Denn Michael Häupl hat seinen Rücktritt zwar angekündigt, einen mehrheitsfähigen Nachfolger konnte auch er nicht aufbauen. Doch die Probleme hören nicht bei den Regierungsparteien auf.
Die Grünen versinken gerade in einem Streit mit der Parteijugend und internen Querelen wegen des Bauprojekts am Heumarkt und die NEOS scheinen viel von ihrem Drive verloren zu haben. Der einzige Profiteur wäre tatsächlich die FPÖ. Natürlich schließt Christian Kern in Umfragen mit der SPÖ zur FPÖ auf. Aber reicht das, um Neuwahlen auszurufen und danach handlungsfähig zu regieren?
Fazit: Arbeitsmoral am Tag der Arbeit?
Wenn es darum geht, die Solidarität am Tag der Arbeit nach außen zu demonstrieren, wäre ein Appell zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit politisch relevanten Themen notwendig. Baustellen gäbe es genug. Ich persönlich hege noch immer die Hoffnung, dass die Bildungsreform umgesetzt wird, auch wenn der Weg dorthin aktuell wieder steiniger geworden sein dürfte. Mir geht es nicht um inhaltliche Detailfragen sondern darum, dass sich irgendetwas bewegt. Jede Veränderung zum Status Quo kann eigentlich fast nur positiv sein.
Das andere Thema wäre aus meiner Sicht das leistbare Wohnen. Ein thematischer Regierungsschwerpunkt würde der Bevölkerung zeigen, dass man tatsächlich für sie arbeitet. Ob ein paar Panzer mehr angeschafft werden, spüren die meisten Menschen nicht, wenn sie ihre monatliche Haushaltsrechnung machen. Vermutlich ist das auch der Grund, warum der aktuelle Stadtrat für Wohnbau in Wien, Michael Ludwig, nicht mehrheitsfähig ist. Die Mieten in Wien und die Preise für Wohnungen sind explodiert. Es brodelt hinter den Kulissen der SPÖ am Tag der Arbeit …