Idealistische Menschen stoßen oft an ihre Grenzen. Sie ecken gerne an und werden von ihren Mitmenschen als ein wenig sonderbar beschrieben. Ich selbst bin ein Idealist und für mich steht fast immer die Sache im Vordergrund. Speziell in Österreich wird man schnell mit irgendeiner Form der (Partei)Politik konfrontiert - gerade im Bildungsbereich. Politische Seilschaften sind oft wichtiger als gute Ideen und gute Ideen können nur mit entsprechenden Seilschaften umgesetzt werden. Grundsätzlich ist das traurig, denn gesellschaftlicher Fortschritt kann damit fast nie entstehen. Aber vielleicht ist Idealismus dennoch notwendig. Mich erinnert das ein wenig an die alte „Think different-Kampagne“ einer Computer-Firma.
Machen wir uns nichts vor
Das Parteibuch oder die jeweiligen Seilschaften sind oft relevanter als so manche Qualifikationen. In der Bildungspolitik äußert sich das am anschaulichsten bei der jährlichen Veröffentlichung der Testergebnisse der PISA-Studie. Jedes Jahr sind die verantwortlichen PolitikerInnen entsetzt, überrascht und schockiert ob der schlechten Resultate der österreichischen SchülerInnen. Als Land sind wir nicht Output-orientiert. Wären wir es, würden uns schlechte Resultate nicht mehr überraschen. Veränderungen im Bildungssystem brauchen Jahre, bis sie messbar sind. Aber wenn der schnelle politische Erfolg im Vordergrund steht, wird das oft vergessen.
Österreich ist Beziehungs-orientiert! Möchte jemand einen entsprechenden Posten in der Bildung haben, wird sofort nach der politischen Couleur gefragt. Bei der Bestellung von DirektorInnen und LehrerInnen entscheidet oft das Parteibuch oder die hinter der Person stehende Seilschaft. Aber nicht nur bei der Besetzung von DirektorInnen oder Posten in regionalen Schulbehörden, auch bei der Entscheidung, welche Schule gewählt wird, entscheiden Eltern oft nach der politischen Ausrichtung. Das Resultat: Ein Gleichgewicht der politischen Kräfte und eine Patt-Situation bei Reformen.
Was läuft schief?
Ich bin seit vielen Jahren in einer beobachtenden bzw. gestaltenden Rolle in der Bildungspolitik dieses Landes tätig. Bereits während meines Studiums habe ich mich gefragt, warum es bei uns stockt, obwohl die Konzepte längst bekannt sind und auf dem Tisch liegen. „Zu viele Köche verderben den Brei.“ Dieses Sprichwort stimmt. Wenn verantwortliche Personen durch politische Prozesse in ihre Posten gehoben werden, sind Reformen schwerer umzusetzen, weil sich immer jemand auf den Schlips getreten fühlt. Erinnern Sie sich? Es geht um die Beibehaltung eines politischen Gleichgewichts.
Das ist umso ärgerlicher, zumal die Schule ein parteipolitisch freier Raum sein sollte. Wir regen uns mit einer geheuchelten Leidenschaft über beauftragte Vorträge auf und ignorieren die agierenden AkteurInnen im Schulalltag. Wie oft haben wir gehört, dass eine Direktorin rot oder ein anderer Direktor schwarz ist? Sehr schnell habe ich ein Gespür dafür entwickelt, welche AkteurInnen gerade auf einer politischen Welle schwimmen und wer sich auf dem Abstellgleis befindet. Mit wechselnden Regierungen alle fünf Jahre wechseln auch die politischen Günstlinge.
Idealismus ist notwenig
In der Politik, und das meine ich nicht nur bildungsspezifisch, reden wir sehr gerne über Veränderungen und Wünsche, wie diese umgesetzt werden sollen. In Frankreich ist der Erfolg von Emmanuel Macron darauf zurückzuführen, dass viele BürgerInnen im verkrusteten System der Parteipolitik frischen Wind spüren möchten. Einfach etwas Anderes. Der Luxus des Bildungssystems ist, dass verändernde Konzepte längst bekannt sind. Sie müssten „nur“ umgesetzt werden. Doch je länger gewartet wird, desto schwieriger ist die Umsetzung. Wenn DirektorInnen oft mit politischen oder regionalen Interessen bestellt werden (das trifft sicher nicht auf alle zu), Eltern die Schule aus politischen Motiven auswählen und sonstige politische Posten vergeben werden, müssen auch Vorschläge der Veränderung entsprechend bewertet werden. Aus diesen Systemen heraus werden Vorschläge gemacht (SchülerInnen, Eltern, LehrerInnen, DirektorInnen, etc.) und diese spiegeln stets Partikularinteressen wider.
Die eine übergeordnete Autorität gibt es nicht. Vielleicht wäre eine derartige Autorität der Output. Aber solange das nicht der Fall ist, brauchen wir immer wieder IdealistInnen, die es gewohnt sind, Staub aufzuwirbeln. Menschen, die es nicht einsehen, dass MitarbeiterInnen eines Unternehmens (in diesem Falle die LehrerInnen-Gewerkschaft) die Richtung des Unternehmens (in unserem Falle das Bildungsministerium) vorgeben möchten. Ich bleibe Idealist und hoffe, dass früher oder später systemische Veränderungen greifen müssen, um eine nachhaltige Veränderung zu bewirken.