Die Illusion einer heilen Welt!

Hypnose-Spirale
Quelle: https://pixabay.com/de/optische-täuschung-täuschung-grafik-813728/ 14.04.2017

„Früher war alles besser. Wir hatten kein Internet und aus uns ist auch etwas geworden.“ Es sind Sätze wie dieser, die eine realitätsferne Einschätzung unserer Zeit widerspiegeln. Sätze, die ein verzerrtes Bild der Vergangenheit und die Illusion einer heilen Welt kreieren. Der menschliche Geist erinnert sich fast überwiegend an die positiven Aspekte unserer Erinnerung. So funktioniert er. Mit Freunden und Verwandten im Ausland zu kommunizieren, war damals eine Geduldsfrage (Brief, Anm.) oder teuer (Telefon, Anm.). Die Annehmlichkeiten der Moderne gab es in der ach so heilen Welt nicht. Warum sehnen wir uns vereinzelt dennoch nach ihr?

Als die Kommunikation laufen lernte

Die Möglichkeiten der Kommunikation waren im Vergleich zu heute stark eingeschränkt. Im Wesentlichen wurde sie auf drei Aspekte reduziert: Persönlich, Brief und Telefon. Wenn ich mit meinem/r GesprächspartnerIn reden wollte, mussten wir zu selben Zeit in der Nähe eines Telefons sein oder einander treffen, um uns einen langwierigen Briefverkehr zu ersparen. Denn das Sprichwort „Papier ist geduldig“ wurde vermutlich von jemandem erfunden, der mit Briefen ebendiese Geduld verlor. Es war alles komplizierter.

Email? Fehlanzeige. Skype nicht erfunden. Oder was ist mit dem Konsumverhalten? Haben wir damals Produkte weltweit gesucht, um sie danach innerhalb von zwei Tagen liefern lassen zu können? Ein Teil der Kommunikation ist eben jemanden zu finden, der irgendwo auf der Welt genau das hat, was ich brauche oder suche.

Oder wie sieht es mit der Suche nach verschollenen Familienmitgliedern aus? Mein Vater hatte einen verschollenen Onkel jahrzehntelang gesucht. Ich habe seine Nachkommen mit dem selben Namen in Argentinien gefunden. Facebook sei dank. Oder mit ArbeitskollegInnen, die europaweit verteilt sind, kann ich heute sehr leicht den Kontakt pflegen. So gesehen ist die Digitalisierung auch ein sozialer Vorgang.

Der Stress neuer Medien

Stress
Quelle: https://pixabay.com/de/stress-geschäftsleute-geschäftsmann-2051408/ 14.04.2017

GegnerInnen der Digitalisierung führen oft den gestiegenen Stress ins Treffen. Natürlich sind die Flexibilisierung der Arbeitszeit und die Neuinterpretation des Arbeitsplatzes wunderbar. Sie machen uns aber auch ständig „verfügbar“ und uns fällt es vielleicht schwer, effektive Grenzen zu setzen. Dieser Umgang stresst uns und führt häufiger als früher zum Burnout. Das Problem ist nicht, dass wir mit den neuen Medien Möglichkeiten haben, die schlecht interpretiert zu Stress führen können.

Das Problem ist, dass gesellschaftlich wenig Akzeptanz dafür besteht, wenn wir Grenzen ziehen. Wenn wir nach 20 Uhr keine Emails mehr beantworten, gelten wir als faul und wenn wir nicht schon um 7 Uhr vor unserem Computer sitzen, als nicht engagiert. Das Problem des Stresses entsteht also aus einer Erwartungshaltung heraus, die wir als Gesellschaft aufbauen. Die neuen Medien können dafür wenig.

Das Luftschloss der traditionellen Schule

Es gibt sie noch: Die TraditionalistInnen unter den PädagogInnen. Sie stellen altbewährte Methoden in den Vordergrund und meinen, dass die neuen Medien eher zu einer Vergiftung der Jugend führen. Die Schule wird von ihnen als Refugium der Tradition verstanden und nicht als Auftrag, Neues effektiv in unser Leben zu integrieren. Doch ihre Wahrnehmung basiert auf einem Luftschloss, das mit unserer Lebenswelt kaum noch etwas zu tun hat. Wenn Kinder derart unterrichtet werden, besteht die Gefahr, dass eine gesamte Generation „verloren“ geht. 

Fazit: Die Mischung sollten wir suchen!

Puzzle-Steine
Quelle: https://pixabay.com/de/puzzle-mosaik-geheimnis-rätsel-1816470/ 14.04.2017

Wie bei allen Dingen im Leben, geht es um den goldenen Mittelweg. Die Digitalisierung ersetzt keine altbewährten Erkenntnisse. Sie erweitert sie nur. Oder haben Sie jemanden getroffen, der sagte, „ich will jetzt mit ihnen lieber per Email kommunizieren, obwohl ich direkt neben ihnen stehe?“ Das wäre ja absurd. In der Schule geht es um diese gesunde Mischung, die nur die anwesende Lehrkraft tatsächlich gut einschätzen kann. Deshalb ist die Rolle der LehrerInnen heute wichtiger denn je. Denn wenn sie tatsächlich glauben, sie könnten durch neuen Medien ersetzt werden, sollten sie das vermutlich auch …