Dass über die Flexibilisierung der Arbeitszeiten gesprochen wird, ist aus der Sicht der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Österreich legitim. Vielleicht sogar notwendig. Aber was bedeutet das für die Kinderbetreuung? Ist das Angebot an zeitlich flexiblen Möglichkeiten der Kinderbetreuung gegeben? Wenn nicht, ist eine etwaige Flexibilisierung nicht durchdacht und benachteiligt systematisch Familien. Doch dieser Aspekt sollte konsequent mitgedacht werden, sonst waren die Errungenschaften hinsichtlich der Gleichberechtigung beider Elternteile umsonst.
Das zeitliche Korsett
Als Eltern wissen wir, dass unsere Jüngsten zu einem bestimmten Zeitpunkt während des Tages außer Haus sind. Wir wissen auch, dass der Rhythmus der Schule unsere Urlaubszeiten diktiert und deshalb stellen wir uns sehenden Auges in den nächsten Stau zu Ferienbeginn. Wie oft wünschten wir uns flexiblere Unterrichtszeiten während wir das Kennzeichen des Vorderautos auswendig lernten? Dieser Umstand ist schwer zu lösen. Die zeitlich flexible Schule gibt es zwar, aber nicht in Österreich.
Wenn die Arbeitszeiten flexibilisiert werden, wird eine zusätzliche Variable in diese Rechnung gebracht. Und diese Variable wird im Alltag schlagend. Zeitlich begrenzt könnten wir 12 Stunden arbeiten und was machen dann unsere Kinder? Ich denke da vor allem an das Kindergartenalter, denn bei Schulen lässt sich das vielleicht mit einer Ganztagsschule lösen. Es geht um das drohende Ungleichgewicht zwischen Kinderbetreuung und flexiblen Arbeitszeiten. Wenn die Kinderbetreuung wieder nur auf einen Elternteil fällt oder zur kostspieligen Privatfrage wird, bedeutet das einen Rückschritt aus gesellschaftspolitischer Sicht.
Freizeit versus Angebot
WKO-Präsident Christoph Leitl zitierte eine Umfrage als er sagte, dass viele Menschen flexiblere Arbeitszeiten einer entsprechenden Mehrbezahlung vorziehen würden. Das stimmt. Aber wenn die Sozialpartner die Frage der Kinderbetreuung in diesem Zusammenhang ausklammern, ist der anvisierte Kompromiss nicht faul, sondern er stinkt. Denn was machen Eltern, wenn die Arbeitszeit flexibel ist, das Kind trotzdem um spätestens 9 Uhr im Kindergarten sein und gegen 16 Uhr abgeholt werden sollte? Entweder wird auf eine kostspieligere Variante der Kinderbetreuung zurückgegriffen, oder ein Elternteil bleibt zu Hause, was angesichts der Lebensrealitäten in vielen Fällen nicht mehr leistbar ist.
Theoretisch könnten ArbeitnehmerInnen mehr Freizeit durch die Flexibilisierung haben, was aber wenig nützt, wenn ihre Kinder nicht flexibel sind. Und bis zu einem gewissen Grad sollen sie das auch nicht sein, denn viele Kinder benötigen eine Struktur, an die sie sich gewöhnen können und die vertraut wirkt.
Fazit: Der fortschrittliche Rückschritt?
Die Arbeitszeiten sind flexibel, das ist unsere Realität. Arbeitsaufgaben werden nicht zwischen 9 und 17 Uhr gelöst, sondern aufgabenspezifisch. Manchmal erfordert die Lösung einer Aufgabe mehr Zeit, manchmal ist das Tagwerk schon um 15 Uhr beendet. Jede/r kennt das Dilemma. Der Vorschlag der flexibleren Arbeitszeiten möchte diesem Umstand Rechnung tragen und die Realitäten anerkennen. Wenn aber die Kinderbetreuung nicht mitgedacht wird, werden Familien mit Kindern strukturell benachteiligt, was vermutlich zu einem „Wettbewerbsnachteil" von Eltern am Arbeitsmarkt führen wird.
Wir stünden dann vor der Situation, dass unsere Wirtschaft zwar in einen erfolgreichen Wettbewerb treten kann, die Familie in der Gesellschaft aber wieder übersehen wird. Vor dieser Situation standen wir bereits vor einigen Jahrzehnten. Wenn aber die Kinderbetreuung „mitziehen“ kann, können wir uns als Gesellschaft weiterentwickeln. Wir müssten uns dann nicht mehr zwischen der Karriere und den Kindern oder der Arbeit und der Erziehung entscheiden …