Die gute Nachricht zuerst: Österreichs Bundesregierung arbeitet und scheint fast übereifrig zu sein. So wurde in der vergangenen Woche ein Arbeitsprogramm mit fixierten Deadlines für die letzten 18 Monate der ehemals großen Koalition vorgestellt. Besonders interessant ist das angepeilte Sicherheits- und Integrationspaket. Denn mit der de facto unterschiedlichen Behandlung der Religionen wird die Büchse der Pandora geöffnet und rechtsstaatlicher Boden verlassen.
Worum es geht
Es geht um ein Verbot der Vollverschleierung muslimischer Frauen und um ein Kopftuch-Verbot bei Richterinnen, Polizistinnen und Lehrerinnen. Kurz: In öffentlichen Ämtern. Das per se wäre noch nachvollziehbar und auch Länder wie Frankreich und Belgien gehen einen ähnlichen Weg. Mit dem Geist einer offenen und freien Gesellschaft steht vor allem die Vollverschleierung der Frauen in einem krassen Widerspruch und untergräbt die Prinzipien der Emanzipation.
Wenn die Religion dominiert
Jede Art der Verschleierung bei muslimischen Frauen ist ein religiöses Symbol. Dieses abzuschaffen und das Kreuz verpflichtend ins Klassenzimmer oder den Gerichtssaal zu hängen, widerspricht aber dem verfassungsmäßigen Gleichheitsgrundsatz. Auch ich bin kein Fan der Vollverschleierung, zumal ich die Gesichtszüge meines Gegenübers erkennen möchte - das gehört zur zwischenmenschlichen Kommunikation und ist Teil des offenen Umgangs miteinander.
Wenn, dann müssen alle religiösen Symbole aus dem öffentlichen Raum verschwinden. Das Kreuz müsste genauso herunter. Viele werden jetzt damit argumentieren, dass das Kreuz ein Teil unserer Kultur wäre. Wirklich? Was genau ist am christlichen Kreuz so österreichisch? Es ist nicht ein Teil unserer Kultur, wie Mozart und Strauss, sondern ein Teil unseres Brauchtums. Sonst nichts. Daher hinkt das Argument der Kultur.
Den Gleichheitsgrundsatz wahren
Was allerdings nicht hinkt, ist der verfassungsmäßige Gleichheitsgrundsatz. Ihm haben wir es zu verdanken, dass alle Menschen gleichbehandelt werden müssen. Ihm haben wir es zu verdanken, dass der Religionsunterricht für alle Konfessionen möglich ist und, dass a priori nicht zwischen Menschen und Religionen unterschieden wird. Schafft man ein religiöses Symbol einer Konfession per Gesetz ab, ist dieser Grundsatz nicht mehr gültig und kann auch - so vermute ich - sehr erfolgreich beim VfGH eingeklagt werden.
Fazit: Religiöse Symbole verbieten?
Die Religion ist nicht Teil unserer Kultur. Tatsächlich haben wir in Europa einen über Jahrhunderte schwellenden Konflikt zwischen Protestanten und Katholiken erlebt. Die Religion war da nicht hilfreich. Wenn wir nur ein Kleidungsstück einer anderen Religion verbieten, begeben wir uns auf religiös-extremistischen Boden. Es kann hier nur religiös argumentiert werden und das will eigentlich niemand. Wenn aber alle religiösen Symbole - auch das Kreuz - verboten werden, bleibt der Gleichheitsgrundsatz gültig und es kann leichter für ein Kopftuch-Verbot oder ähnliche Initiativen argumentiert werden. Dann diskutieren wir hier keine Anti-Islam-Maßnahmen, sondern die Rolle der Religion in unserer Gesellschaft und das trägt zu einem gesellschaftlichen Diskurs positiv bei …