Niemand wählt aus Überzeugung!

Gezeichnetes Portrait von Angela Merkel
Quelle: https://pixabay.com/de/merkel-angela-politikerin-kanzlerin-1897320/ 07.01.2017

Eines ist aus dem alten Jahr jedenfalls geblieben: Politische Partizipation findet nicht mehr aus Überzeugung statt. Weder bei den WählerInnen, noch bei den politischen VertreterInnen. Im folgenden Beitrag möchte ich die Aspekte Idealismus, Taktik und Widerspruch aus Sicht der politischen VertreterInnen und aus Sicht der WählerInnen parallel beleuchten und darlegen, warum PolitikerInnen-Verdrossenheit fast schon eine logische Konsequenz sein muss. Gehen wir mit einer falschen Erwartungshaltung an dieses Thema heran?

Der Idealismus

Die Überzeugungen und der politische Drive fehlen. Sowohl bei den WählerInnen, als auch bei den PolitikerInnen - oder sie kommunizieren wirklich schlecht. Haben wir als BürgerInnen noch ein Thema, für das wir uns aufopfern? Ich spreche hier von einer positiven Herangehensweise, nicht die Beschäftigung mit einem Thema aus geschürter Angst heraus. Themen, wie der Wiederaufbau nach dem Krieg, die sexuelle Emanzipation, die Mobilität wegen der Ölkrise oder die BürgerInnenbeteiligung in ökologischen Fragen (Anm. der Red.: Hainburger Au und AKW Zwentendorf)?

Aus der Sicht der PolitikerInnen verhält es sich ähnlich. Haben die politischen VertreterInnen ein Thema, für das sie sich aufopfern? Oder ist doch nur die eigene Geldtasche die Triebfeder ihres Handelns? Ein wirkliches Sachthema kann ich nicht ausmachen. Viele sagen, die Flüchtlingskrise wäre so eines. Wirklich? Ich lese mehr über Ängste und Sorgen, denn über Lösungsvorschläge. Ich lese mehr über Hass, denn über Integration. Politik heißt auch, nach Lösungen zu suchen und daran scheint europaweit wenig Interesse zu bestehen.

Widerspruch vs. Überzeugung

Von den WählerInnen wird verlangt, die jeweiligen Überzeugungen jener VertreterInnen zu kennen, die im Zuge einer Wahl ihre Stimme erhalten. Wir idealisieren, dass überzeugt gewählt wird. Aber dem ist längst nicht mehr so. Einerseits ist das zeitliche Kontingent beschränkt, welches eine tiefe Auseinandersetzung mit den politischen VertreterInnen ermöglichen würde. Anders ist das Phänomen des Populismus kaum zu erklären. 

Andererseits verstricken sich unsere politischen VertreterInnen zumeist in Widersprüche. Deshalb ist auch eine fundiertere Auseinandersetzung mit unserer Wahlentscheidung so zeitintensiv und zwar egal, wie wir sie auslegen. Geht man nach den Überzeugungen, muss man tiefer graben. Versuchen wir, die Widersprüche aufzudröseln, dauert das ebenfalls. Aber vielleicht ist das jene Verantwortung, die unsere Demokratie von uns verlangt - zurecht. 

Die Taktik

Die BürgerInnen sind hier verantwortlicher als die politische Elite. Wenn schon nicht mehr aus Überzeugung gewählt werden kann, dann zumindest aus taktischen Gründen. Oft wählen wir das geringste Übel oder versuchen, die gesamtstaatlichen Konsequenzen unserer Wahlentscheidung abzuschätzen. Wir überlegen uns, wer mit wem gut kann und welchen Effekt die Zusammensetzung des Nationalrats auf die Regierung hat. Doch diese Überlegungen werden oft durch die PolitikerInnen untergraben, die mit diesen bewusst spielen.

Schachbrett
Quelle: https://pixabay.com/de/schach-brettspiel-spiel-strategie-1742719/ 07.01.2017

Die Taktik der politischen VertreterInnen ist nicht mehr Sach- sondern Posten-bezogen. Sie wollen schon Veränderungen, aber einflussreichere Posten nebenbei auch. Sie argumentieren immer, dass sie in höheren Posten mehr Veränderungen herbeiführen können, aber sträuben sich gegen gute Sachpolitik, wenn sie nicht von ihnen selbst erfunden wurde. Die Sache wird damit weniger wichtig. Die Erfolge einer Regierungsarbeit - beispielsweise die Milliarde Euro aus der Bankenabgabe für die Bildung - werden a priori nicht als Erfolge kommuniziert. Es wird zunächst darauf hingewiesen, was ohne den Regierungspartner möglich gewesen wäre. Das führt zum Eindruck des Streitens und fördert die PolitikerInnen-Verdrossenheit. 

Fazit: Folge der Spur des Geldes!

Dass ich so eine Überschrift für mein Fazit wähle, ist kein Gütezeichen unserer Politik - oder zumindest meines Eindrucks von der Politik. Als WählerInnen stehen wir im steten Konflikt mit unseren Überlegungen. Wenn wir wählen, wen wählen wir? Warum ist das politische Personal - so unser Eindruck - über die Jahre hinweg immer schlechter geworden? Oder sind wir als Gesellschaft überzeugungsresistenter geworden? Eine gute Annäherung an eine politische Entscheidung ist für mich immer, der Spur des Geldes zu folgen. Welche Interessen und welche Güterverteilung spielen hinter den von PolitikerInnen geforderten Initiativen eine Rolle? Dass wir so denken müssen, ist traurig, aber ein erster Schritt in Richtung mündige BürgerInnen. Überzeugungen fehlen auf beiden Seiten - zumindest redliche. Und unsere Erwartungshaltung wird von Jahr zu Jahr nicht erfüllt, weshalb wir an unseren Erwartungen schrauben sollten. Denn auch wir haben keinen genauen Auftrag an unsere PolitikerInnen und nur zu sagen, „streitet nicht“ genügt eben nicht.