Bildungsstaatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) sieht die Gründe für das schleppende Vorankommen in der Bildungsreform in der Kurzsichtigkeit der verantwortlichen Personen - wie er in einem sehr lesenswerten DerStandard-Interview erklärte. Sein Vorschlag zur Gegensteuerung: Es sollen die Kosten berechnet werden, Reformen und Gesetze nicht umzusetzen. Persönlich bin ich immer skeptisch, wenn es um PolitikerInnen und ihre Konzepte der allgemeinen Selbstdarstellung geht. Doch dieser Vorschlag hat etwas für sich.
Es fängt bei der Elementarpädagogik an
Zwei Aspekte des Interviews, das ich mit großem Interesse gelesen habe, stachen für mich heraus. Seit geraumer Zeit votiere ich dafür, dass der elementarpädagogische Bereich (Anm. d. Red.: Kindergarten) gestärkt wird. Ich sehe es aus der Sicht der europäischen Förderungen in diesem Bereich, denn diese sind, gemessen an den Anträgen, rückläufig. Doch im elementarpädagogischen Bereich wird die Basis gelegt. Kognitive Verknüpfungen, die über den Lernerfolg entscheiden können, werden in dieser Phase gebildet. Während dieses Zeitraums kommen auch Eltern und Kinder zum ersten Mal mit dem Bildungssystem in Berührung. Dass Kindergarten Bildung und keine Kinderbetreuung ist, darüber muss hoffentlich nicht mehr diskutiert werden.
Alternativkosten für Versäumnisse
Den zweiten Aspekt finde ich einen interessanten Vorschlag und dieser kritisiert auch indirekt den föderalen Zugang Österreichs in Bildungsfragen. Hier meinte Mahrer, es sollen schätzungsweise die Kosten für das Nichtstun vorgerechnet werden. Denn in Wahrheit scheitern Reformen in Österreich grundsätzlich an zwei Dingen: Den Kosten und regionalen Aufsplitterungen. Logisch, dass sich die Gemeinden und Länder oft fragen, wer etwaige Reformen zu bezahlen hätte. Genau hier krankt das System.
Eine österreichweite Rechnung wird de facto nie angestellt. Eine Rechnung des Nichtstuns, für den Arbeitsmarkt, für Fortbildungsmaßnahmen und - am wichtigsten - für das Sozialsystem. Denn wenn weniger Menschen höhere Beträge einzahlen können, schafft das eine Finanzierungsnot bei den aktuellen BezieherInnen und führt längerfristig zur Altersarmut.
Fazit: Der politische Wille endet beim Zuständigkeitsbereich!
Wieder einmal scheint das strukturelle Problem der Politik in Bildungsfragen die Oberhand zu behalten. Wie schon oft ausgeführt, gewinnt niemand mit Bildungspolitik Wahlen. Aber die VolksvertreterInnen machen sich des Zukunftsraubs schuldig, wenn nicht reagiert wird. Deshalb ist der Vorschlag einer Alternativrechnung mehr als interessant. Fragen der kurzfristigen Finanzierung und der populistischen Rechtfertigung des Stimmenzuwachses weichen dann ganzheitlichen Überlegungen, die gerade im Bildungssystem mehr als relevant sind. Denn die Kosten des Sozialsystems, die durch mangelnde Bildungspolitik künftig nicht abgedeckt würden, könnten auch nicht durch Flüchtlingsströme erklärt und Obergrenzen beseitigt werden …