Weihnachten zum Nachdenken ...

Mann mit Zigarette denkt nach
Quelle: https://pixabay.com/de/schwarz-weiß-gedanken-gefühle-1278713/ , 24.12.2016

Über den Terrorakt in Berlin zu schreiben, wäre redundant. Über den Terror überhaupt zu schreiben, wäre redundant. So traurig das klingt. Ich will mich nicht an Terroranschläge gewöhnen und daran kann man sich auch nicht gewöhnen. Schrittweise wurde die Angst, mit Terroranschlägen umzugehen, integraler Bestandteil unseres Alltags. Brüssel, Berlin, Paris oder Nizza. Ich will und werde mich nicht daran gewöhnen. Und auch wenn es in diesen Zeiten schwer fällt, dürfen wir nie vergessen, woher wir kommen und, dass unsere Gesellschaft bereits früher Terrorepisoden überstanden hat. Dieses Mal schreibe ich nicht über Negatives, sondern darüber, wo wir als Gesellschaft stehen. Eigentlich …

Selbstkritik

Eine zentrale Eigenschaft unserer Gesellschaft ist die Fähigkeit, ständig zu hinterfragen. Wir hinterfragen, ob der eingeschlagene Weg der Richtige ist. Wir hinterfragen, ob die Grundsätze, die wir vertreten, noch zeitgemäß sind und, ob jede/r diese teilt. Genau hier fängt das Dilemma unserer Gesellschaft an. Unsere pluralistische Gesellschaft hat längst keine gemeinsamen Werte mehr. Kein identitätsstiftendes Merkmal mehr - vielleicht nur einen gemeinsamen, abstrakten Feind (Anm. d. Red.: Terror). In der Nachkriegszeit war der gemeinsame Wert der Wiederaufbau. Während der späten 1960er die sexuelle Emanzipation, während der 1970er die Ölkrise und zu Beginn der 1990er das Streben in Richtung Europa.

Heute? Wir sehnen uns als Gesellschaft nach stabilen, biederen Werten. Der Idealismus vergangener Tage ist in manchen Gesellschaftsteilen dem Verlangen nach Stabilität gewichen. Aber hierbei handelt es sich um einen sehr individuellen Wert, der als identitätsstiftendes Merkmal einer Gesellschaft nicht taugt. In dieser gesellschaftlichen Ausgangsposition werden wir mit völlig neuen Herausforderungen konfrontiert, deren Antwort wir nicht kennen. Das machen sich Menschen und Organisationen, die uns zu spalten versuchen, zu Nütze. Vielleicht sollte eine Identitätsdebatte im selben Ausmaß wie die Sicherheitsdebatte geführt werden.

Toleranz

Von allen Werten der Aufklärung und der französischen Revolution ist die Toleranz zentral. Nach Jahrhunderten der Religionskriege, deren Ausläufer im bewaffneten Konflikt Nordirlands ihren Höhepunkt fanden, sollten wir als Gesellschaft gelernt haben, dass die Religion nicht mehr ein trennendes Merkmal sein sollte. Überhaupt haben wir, geschichtlich gesehen, religiöse Konflikte dazu genutzt, unser Verständnis für Toleranz zu schärfen und uns gegenseitig zu respektieren.

Zwei Holzfiguren schlagen ein
Quelle: https://pixabay.com/de/lösung-versöhnung-friede-beziehung-1783776/ . 24.12.2016

Ich spreche nicht von Terroristen, die diesen Respekt nicht teilen und der ihnen auch nicht zuteil wird. Ich spreche von uns als Gesellschaft. Wir haben verlernt, aufeinander zu hören, gegenseitige Positionen zu respektieren und im demokratischen Meinungsaustausch einen mehrheitsfähigen Konsens zu achten. Weihnachten und die Jahreswende bieten vielleicht die Möglichkeit, darüber nachzudenken und uns individuell zu hinterfragen. Toleranz fängt eben bei uns an und ist ein Wert, der universal gültig ist.

Fazit: Zeit, innezuhalten und nachzudenken!

Zum Jahreswechsel hin resümieren viele von uns, was sie besser machen könnten, wo Potenziale ungenützt blieben und, welche Vorsätze für das kommende Jahr formuliert werden. In diesem Artikel geht es ganz bestimmt nicht darum, die Moralkeule zu schwingen, sondern ergebnisoffen ein paar Dinge zu hinterfragen. Eine individuelle Rückbesinnung auf das, was uns als Gesellschaft ausgezeichnet hat, ist mein persönliches Ziel. Als weltoffener Mensch und Vater will ich eine Gesellschaft in Angst lebend nicht akzeptieren. Denn auch wenn reaktionäre Maßnahmen der Abschottung (wie von Populisten gefordert) getroffen werden, passieren diese aus Angst. Vielleicht ist es an der Zeit, sich zu erinnern. Zu erinnern, warum unser Fleckchen Erde so lebenswert ist. Vielleicht ist es an der Zeit, mehr denn je, der Angst den Kampf anzusagen …