Hat es noch einen objektiven Wert? Das Zeugnis verliert immer mehr von seiner Strahlkraft. Gute Noten zu schreiben, hieß früher, bessere Chancen auf ein erfolgreiches Leben zu haben. In vielen Systemen kann diese Illusion nicht mehr aufrechterhalten werden. Zu oft lesen wir von gescheiterten Schulkarrieren, die später große Erfolge verzeichneten. Jeder/m von uns fällt mindestens ein solches Beispiel ein. Aber sind die Noten, die wir vergeben, deshalb ad absurdum geführt? Vermutlich nicht …
Schulischer Misserfolg ≠ Lebenserfolg
Wir alle kennen berühmte Beispiele des schulischen Misserfolgs, die danach große Erfolge feierten. Aber es sind nur ein paar wenige. Wenn von 100 SchulabbrecherInnen eine Karriere erfolgreich ist, spricht das nicht für das Konzept des Schule-Abbrechens, sondern für die Willenskraft der jeweiligen Person und das Bewusstsein, welche Leidenschaft verfolgt werden soll. Das heißt, dass SchülerInnen, welche die Schule abbrechen, bereits sehr früh wissen, was sie machen möchten und dieses Ziel mit allen Mitteln verfolgen. Und selbst das mag noch kein Garant für ein erfolgreiches Leben ohne Schule sein.
Bewertung verbessern
Dass wir immer wieder mit großen Augen Karrieren bestaunen, die ohne Schule funktionieren, sollte uns dennoch zu denken geben. Denn offenbar zeigt das gegenwärtige Assessment erhebliche Schwächen. Mittlerweile ist den meisten Personalverantwortlichen bekannt, dass die Schulnoten bei Weitem nicht die gefragten Kompetenzen zur Gänze abdecken. Ein Dreier in Mathematik beweist noch nicht, dass der/die SchülerIn schlecht in Mathematik ist oder gar Rechenschwächen aufweist. Nur, dass im Schulsetting nicht alle Erfolge erbracht werden.
Trumpf, ein Unternehmen aus Baden-Württemberg, das Maschinen herstellt, hat sich sogar gänzlich von den Schulnoten als Auswahlkriterium verabschiedet. Dort durchlaufen BewerberInnen ein 30-minütiges Online-Quiz, das soziale Kompetenzen, Engagement und fachliches Vorwissen abfragt. Nach einer positiven Bewertung werden die BewerberInnen zu einem Test und zu einem Vorstellungsgespräch vor Ort eingeladen.
Neue Wege der Rolleninterpretation
Das Unternehmen Trumpf zeigt - und das ist nur ein Beispiel - dass mehr und mehr Firmen neue Wege suchen, ihre BewerberInnen zu gewinnen. Denn in manchen Berufsschienen bewerben sich oft nicht jene, die schlechtere Noten hatten oder sie sind dementsprechend demotiviert. Was das oben genannte Beispiel verdeutlicht, ist auch die Notwendigkeit, das gegenwärtige Assessment in Schulen durch realitätsnahe Aspekte zu erweitern.
Das bedeutet auch, dass sich die Erwartungshaltung mancher Unternehmen in Richtung des Schulsystems ändern sollte. Wenn ein eigenes Assessment für eine entsprechende Stelle durchlaufen werden muss, sollte auch die fachliche Ausbildung wieder in die Betriebe wandern, statt vom Schulsystem zu erwarten, dass diese abgedeckt werden. Die grundlegenden Kompetenzen müssen allerdings vom Schulsystem trainiert werden.
Fazit: Die Frage, ob nicht vieles aktualisiert werden sollte!
Die numerischen Schulnoten von 1 bis 5 haben uns bisher gute Dienste erwiesen. Doch wenn es etwas Exakteres geben sollte, darf man sich dem nicht verschließen. Mit der verbalen Beurteilung in den ersten drei Schulstufen, gibt es in Österreich nun die Möglichkeit, exakter zu Beurteilen, auch wenn das SkeptikerInnen nicht ganz glauben wollen. Die Schwäche der bisherigen Bewertung ist, dass Noten in der Regel nicht erklärt werden. Allein ein Dreier kann so viel bedeuten. Er kann näher dem Zweier, oder dem Vierer sein. Er könnte Ausdruck einer individuellen Steigerung oder eines Abstiegs sein. Daher ist der Wert mancher Zeugnisse durchaus zu hinterfragen. Vielleicht sind verbale Bewertungen eine wunderbare Ergänzung. Klar ist, dass die bestehenden Systeme hinterfragt und aktualisiert werden müssen, wenn bereits Firmen anfangen, die schulische Bewertung zu hinterfragen …