Zum letzten Mal saßen sie sich gestern gegenüber. Zum letzten Mal wurde der/die politisch müde Österreicher/-in in einer TV-Konfrontation mit gegenseitigen Anwürfen oder rhetorischen Tricks konfrontiert. Und zum letzten Mal haben Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer zu mobilisieren versucht. Hoffentlich ist das von Erfolg gekrönt. Denn die Bankrotterklärung einer Demokratie sind die Bürger/-innen, die nicht wählen gehen, nicht Kandidaten, die wir für verbesserungswürdig halten.
Substanz versus Emotion
Während der Diskussion der beiden Kandidaten wurde etwas deutlich: Während Norbert Hofer eher bemüht war, mit aggressiver Rhetorik Emotionen zu schüren, präsentierte sich Alexander Van der Bellen als der besonnene, ruhige und bedachte Kandidat. Beim Thema Sicherheit wartete Van der Bellen mit einer für ihn typischen Präzisierung auf. Sicherheit besteht aus der klassischen, physischen Sicherheit (Anm. d. Red. Schutz vor Terror, Kriminalität, Gewalt, …) und der sozialen Sicherheit.
Dieser Aspekt wird fast immer bei diesem Thema unterschlagen. Wenn die Kluft zwischen arm und reich größer wird, entsteht ein veritables Risiko aufgrund des sozialen Unfriedens. Diese Erweiterung des Sicherheitsbegriffs zeigte wunderbar die Unterscheidung der beiden Kandidaten. Hofer appellierte nur an die Emotionen Angst und Sicherheitsbedürfnis.
Wie war das mit der Europäischen Union?
Ein ganz klarer Unterschied zeigt sich beim Verständnis der Europäischen Union. Mehr versus weniger ist hier die Konfliktlinie. Norbert Hofer spricht immer von einem subsidiären Europa. Dabei dürfte der FPÖ entgangen sein, dass bereits heute ein subsidiäres Europa gemäß der Verträge besteht. Subsidiarität bedeutet, dass die jeweiligen Aufgaben von der Ebene übernommen werden, die sie am besten lösen wird. Es darf zwar gestritten werden, ob die Kompetenzverteilung immer gelungen ist, aber das Prinzip besteht. In der heutigen Form funktioniert es allerdings weniger effektiv.
Ich fühle mich als Europäer. Und mir blutet die Seele, wenn sich die jeweiligen Nationalstaaten untereinander uneins sind und wenn Nationalpopulisten stets Partikularinteressen verfolgen. Paradoxerweise sprechen sie immer von der europäischen Kultur, die durch zu viel Zuwanderung in Gefahr gerät, können aber keine gemeinsame Identität über die Grenzen des Nationalstaates hinweg formulieren. Das wollen sie auch gar nicht. Sie wollen nur die Stimmen der Wähler/-innen, um Zugang zu den Futtertrögen der Macht zu erhalten.
Fazit: Die Wahl ist gar nicht so schwer!
Von einem österreichischen Bundespräsidenten erwarte ich persönlich politische Reife, eine breite Lebenserfahrung, Bedachtsamkeit und Besonnenheit. Eigentlich handelte es sich stets um ein politisches Amt für Elder Statesmen. Während die Tagespolitik eher von politisch jüngeren Vertreter/-innen geprägt wird, wohnt dem Bundespräsidenten traditionell Erfahrung und Ruhe inne. Darüber hinaus sollte diese Person international geschätzt und respektiert werden. All diese Qualifikationen treffen mit Sicherheit auf Alexander Van der Bellen zu, aber darum geht es gar nicht vorrangig. Ich rufe hier nicht dazu auf, eine bestimmte Person zu wählen - obgleich ich eine eindeutige Präferenz habe. Ich fordere dazu auf, überhaupt wählen zu gehen. Das ist jene Verantwortung, die uns unsere Demokratie eigentlich Wert sein sollte. Ganz ohne Emotion …