In nicht einmal zwei Wochen wählen wir wieder. Dieses Mal sollte es gelingen, einen Präsidenten zu küren. Es sollen keine Missverständnisse entstehen. Das Amt des/der Bundespräsident/-in ist fast nur repräsentativ. Dennoch lässt sich anhand der bevorstehenden Wahl die Rolle der politischen Bildung in den Schulen gut darstellen. Wie viel Demokratieverständnis und Staatsbürgerkunde wurde in der Schule vermittelt? Wissen wir, warum wir wählen sollten und was passiert, wenn wir der Wahlurne fernbleiben? Hier der Versuch einer bildungspolitischen Analyse.
Klassische Staatsbürgerkunde!
Älteren Semestern wird dieser Begriff noch geläufig sein. In der klassischen Staatsbürgerkunde wurden die Prinzipien unseres Staates erklärt. Wie ist unser Staat aufgebaut? Wie funktioniert die Gewaltentrennung (Anm. d. Red. Legislative, Exekutive und Judikative)? Was sind die Kontrollorgane einer Demokratie? Das ultimative Kontrollorgan - und das muss immer wieder vor Augen geführt werden - sind wir, die Bürger/-innen. Wir wählen jene Vertreter/-innen, die an den Eckpunkten der Gewaltentrennung sitzen (Anm. d. Red. Legislative und Exekutive) oder wählen jene, welche die Vertreter/-innen der Judikative bestimmen (Anm. d. Red. Parlament schlägt oberste Richter vor, bevor sie vom Präsidenten/von der Präsidentin ernannt werden).
Wahl bedeutet Auswahl!
Anhand der Präsidentschaftswahl, können demokratiepolitische Prinzipien gut vermittelt werden. Das fängt bereits beim Terminus technicus an. Denn eine demokratische Wahl zu haben heißt, zwischen mehreren Alternativen wählen zu können. Dass vielleicht nicht jene/r Kandidat/-in dabei ist, der/die einen ideal repräsentiert, ergibt sich aus der Natur einer Auswahl. Aber in einer Demokratie haben wir zumindest diese Wahl. Wichtig ist aber zu verstehen, dass der Entschluss, nicht zu wählen, keinen Einfluss auf die Auswahl der Kandidat/-innen oder die Legitimierung der Wahl hat. Anders als im Supermarkt: Dort können 60 Prozent der Konsument/-innen entscheiden, ein Produkt nicht zu kaufen. Vermutlich würde es aus dem Sortiment entfernt werden. In einer Demokratie funktioniert das anders. Denn hier entscheiden, analog zu unserem Beispiel, die übrigen 40 Prozent über das Sortiment.
Inaktiver Präsident ein gutes Zeichen!
Dass der/die Präsident/-in keine tagespolitischen Funktionen hat, heißt nicht, dass er/sie überhaupt keine Befugnisse hat. Man muss die dieses Amtes nur wirklich verstehen. Es handelt sich gemäß der Verfassung von 1929 vor allem um Notrechte! Der/die Präsident/-in greift also erst ein, wenn das System wankt. Solange wir das Gefühl haben, dieses Amt wäre entbehrlich, funktioniert das System sehr gut.
Das heißt aber nicht, dass wir als Staatsbürger/-innen darauf pfeifen sollten. Und wir pfeifen auf unsere Demokratie und unsere Vorväter und -mütter, wenn wir nicht wählen gehen. Die Geschichte zeigte nämlich, dass so ein Amt für den Fall, der hoffentlich nie wieder eintritt, wichtig ist. Unsere Pflicht ist kein abstraktes Konstrukt, sondern die Aufforderung, unser Wahlrecht verantwortungsvoll wahrzunehmen.
Das Dilemma der inhaltlichen Diskussion!
Inhaltlich tun sich beide zur Wahl stehenden Kandidaten keinen Gefallen. Debatten werden stets entlang tagespolitischer Themen geführt und die Medien spielen bei diesem Spiel stets mit. Es wird der Eindruck vermittelt, wir würden einen Superkanzler wählen und sind enttäuscht, wenn dem nicht so ist. Daher ist die Wahl-Moral hier nicht die beste. Um keine Schüler/-innen zu erziehen, die dieses Bild ihren Kindern weitergeben oder Medien leiten, die dieses Bild verkaufen, ist politische Bildung so wichtig.
Fazit: Demokratie fängt in der Schule an!
Das grundlegende Verständnis für Demokratie wird in der Schule vermittelt. Nicht nur durch ein Fach oder ein Unterrichtsprinzip, sondern im fairen Umgang miteinander. Denn die Basis ist der respektvolle Umgang miteinander. In einer Demokratie dürfen wir auch unsere Thesen und Meinungen frei formulieren. Dass wir das dürfen, sichert die Meinungsfreiheit. Erst wenn mehrere Meinungen gleichberechtigt nebeneinander existieren „dürfen“, kann eine demokratisch fundierte Meinung gebildet werden.
Letztlich ist Demokratie der Wettkampf um die Gunst der Meinungen und Haltungen. Diese werden danach in einer kollektiv verbindlichen Entscheidung zusammengefasst. Und das kann früh vermittelt werden. Ob die politische Bildung funktioniert, kann am gegenseitigen Umgang miteinander und dem Verantwortungsgefühl als Staatsbürger/-innen, das in hohe Wahlbeteiligungen mündet, festgemacht werden …