Seit Wochen wird in Österreich über die bedarfsorientierte Mindestsicherung gestritten. Der Sozialminister kämpft mit den Landesfürsten um eine einheitliche Regelung, doch diese will nicht gelingen. Speziell Nieder- und Oberösterreich streben Lösungen weit entfernt von jener des Sozialministeriums an. Immer wieder wurde über eine mögliche Deckelung oder eine Unterscheidung der Bezieher/-innen diskutiert. Wunderbar zeigten sich die ideologischen Gräben in der großen Koalition, die von einer stärker werdenden FPÖ fast schon vor sich hergetrieben wird. Jetzt hat die Landesregierung in St. Pölten den Alleingang beschlossen. Die Folgen sind komplex. Und der Wutbürger in mir schreit.
Das Modell Niederösterreichs!
In Niederösterreich wurde nun eine Reform der bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) beschlossen. Grundsätzlich sollen die Leistungen bei 1.500 Euro gedeckelt werden, womit eine effektive Kostenbremse installiert wird. Eine weitere Reform zielt auf eine Light-Version ab. Wer sich in den letzten sechs Jahren weniger als fünf Jahre in Österreich aufhielt, hat nur noch Anspruch auf eine BMS Light von 572,50 Euro. Zusätzlich können die Bezieher/-innen der bedarfsorientierten Mindestsicherung jederzeit zu Hilfsarbeiten verpflichtet werden.
Die Folgen!
Es ist zu befürchten, dass der niederösterreichische Alleingang zu einer Sozialflucht innerhalb Österreichs führen wird, was angesichts der Größe unseres Landes lächerlich erscheint. Denn natürlich werden die Bezieher/-innen der BMS in jenes Bundesland ziehen, das mehr Sozialleistungen anbietet. Dieser Effekt wird bei Menschen, die weniger Chancen am Arbeitsmarkt haben, besonders groß sein, zumal die Mindestsicherung lange ihre einzige Einnahmequelle bleiben wird.
Beleuchtet man die Beschlüsse Niederösterreichs genauer, so könnte man bösartig formulieren, es gehe hier um eine doppelte Kostenreduktion. Einerseits werden die Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung reduziert. Andererseits dringen weniger Menschen in das Sozialsystem, wenn sie die angesprochene Sozialflucht innerhalb Österreichs antreten.
Genauer hingesehen!
Jenes Bundesland, das von der Mindestsicherung am meisten belastet wird, ist Wien. 670 Millionen Euro wurden in diesem Jahr mehr ausgegeben. Für das Jahr 2017 rechnen die Verantwortlichen sogar mit 700 Millionen Euro mehr. Wichtig zu beachten ist, dass nur 43 Prozent der Bezieher/-innen keine Österreicher/-innen sind. Die meisten Bezieher/-innen entstehen aus der steigenden Arbeitslosigkeit, so Sozialstadträtin Sonja Wehsely. Und die SPÖ hätte zuletzt einer Deckelung von 1.500 Euro zugestimmt. Aber die abweichende Behandlung von Asylberechtigten und Zuwanderern war die rote Linie der SPÖ.
Das leidige Argument der Differenz zwischen Lohn und BMS!
Immer wieder wird argumentiert, dass die Mindestsicherung nicht zu hoch sein darf, denn die Differenz zum Lohn aus Erwerbsarbeit muss ebendiesen noch erstrebenswert machen. Aber vielleicht sollte einmal von der anderen Seite aus argumentiert werden. Hilft es den Menschen mit einem geringen Einkommen tatsächlich, wenn Bezieher/-innen der Mindestsicherung weniger bekommen? Dass viele Menschen trotz Arbeit am Existenzminimum leben, ändert sich durch diese Maßnahme nicht. Der alleinerziehenden Supermarkt-Verkäuferin ist in keiner Weise mit einer Reduktion der Mindestsicherung geholfen. Eher im Gegenteil! Vielleicht wäre es an der Zeit, über höhere Mindestlöhne zu sprechen.
Fazit: Da werden nur Emotionen bedient, sonst nichts!
Es scheint, als nähme die Mainstream-Politik populistische Züge an, anstatt effektive Sozialpolitik zu betreiben, die das Leben der Menschen in diesem Land verbessert und nicht gegen jene aufscheucht, die sich am wenigsten wehren können. Das macht mich wütend. Denn das führt nicht nur zu einer erhöhten Kriminalität, die Wut auf das System erhält weiteren Nährboden. Außerdem, so Verfassungsrechtler Theo Öllinger, verstoße eine Mindestsicherung unter dem Maß der Mindestsicherung gegen das Recht auf ein menschenwürdiges Leben und das wäre verfassungsrechtlich sehr problematisch. Ich habe diese ewigen „Behandlungen“ von Symptomen satt. Denn sie zielen nicht mehr auf eine verantwortungsvolle Politik, sondern auf Schnellschüsse, die Wahlen gewinnen sollen, ab. Aber wenn ich etwas im Bildungsbereich gelernt habe, dann, dass Politik Weitblick erfordert, nicht nur die Konzentration auf die nächste Wahl …