Eines gleich vorweg: Ich bin ein Mann und schreibe daher oft aus einer männlich dominierten Perspektive. Aber schon während meines Studiums habe ich mich mit Fragen des Gender-Mainstreamings befasst und hinterfragt, warum so wenig Frauen in führenden Positionen zu finden sind. Viel hat sich in all den Jahren nicht geändert. Zumindest bei uns. Ja, wir haben eine gegenderte Bundeshymne - war längst an der Zeit - und jetzt? Die Gehaltsschere zwischen den Geschlechtern geht noch immer weiter auf und der Equal-Pay-Day liegt für dieses Jahr schon längst hinter uns. In den USA tritt eine Frau für das mächtigste Amt mit guten Chancen an. Aber wenn jemand glaubt, die Gleichstellung der Frauen würde erreicht werden, wenn eine US-Präsidentin im Amt ist, irrt genauso, wie bei der Annahme, Rassismus wäre beseitigt, weil ein afroamerikanischer Präsident acht Jahre im Amt war. Gerade für die Bildung ist diese Frage nicht unerheblich …
Alle Menschen sind gleich, manche sind gleicher!
Es liegen Jahrhunderte der Aufklärung, Jahrzehnte der Bürgerrechtsbewegungen und mindestens ebenso viele Jahre der Bestrebungen, die endgültige Gleichstellung zu erreichen, hinter uns. Die Werte der Aufklärung erfahren gerade eine Krise angesichts der Fluchtbewegungen, in den USA scheint Rassismus ein systemimmanentes Problem zu sein und bei der Gleichstellung hinken wir hinterher. Einzig in Island gelingt die Gleichstellung zwischen Frauen und Männern sowohl bei der Entlohnung als auch beim Gesellschaftsbild.
In Österreich stellt sich die Situation anders dar. Hausaufgaben und Kindererziehung sind noch immer mehrheitlich in Frauenhand und im Jahr 2014 betrug der sogenannte Gender Pay Gap (Anm. d. Red. Gehaltsschere) in Österreich 22,9 Prozent, im europäischen Durchschnitt nur 16,1 Prozent. Übersetzt bedeutet das, dass in Europa nur Estland eine größere Gehaltsschere hat (http://derstandard.at/2000031826284/Lohnschere-Oesterreich-in-Europa-weiterhin-Vorletzter).
Es fängt oft schon bei der Sprache an!
Dass Sprache wesentlich zur Gestaltung unserer Wirklichkeit beiträgt, ist bekannt. Darum wurde auch der Text der österreichischen Bundeshymne und die Schreibweise angepasst. Auch auf diesen Seiten werden die Leser/-innen eine gleichberechtigte Darstellung der weiblichen und männlichen Schreibform finden. Aber der Aspekt der Sprache geht wesentlich weiter. Im Zusammenhang mit Männern hören wir oft den Begriff „machen“, sind Frauen gemeint, eher „kümmern“. Das geht auf ein sehr altes Rollenbild zurück, das die Männer noch immer in der Rolle der Macher sieht. In dieser Welt werden den Frauen Aufgaben übertragen, weshalb sie sich „kümmern“.
Die Rolle der Bildung und die Aufgabe der Politik?!
Wenn wir mit Kindern arbeiten, müssen wir auf unsere Sprache achten. Kein Erwachsener würde vor Kindern Fäkalausdrücke verwenden. Ähnlich sollte es sich auch beim Gendern und beim unbewussten Transport von Rollenbildern verhalten. Dann werden vielleicht junge Erwachsene erzogen, die tatsächlich eine entscheidende Veränderung einleiten können. Denn nachhaltige Veränderungen werden von der aktuellen Politik eher vernachlässigt. Die Diskussion verläuft oft auf der symbolischen Ebene (Anm. d. Red. siehe Diskussion zur Bundeshymne), nicht auf der realpolitischen.
Realpolitisch gibt es noch immer eine Gehaltsschere, eine strukturelle Benachteiligung von Frauen - besonders wenn sie Kinder bekommen - und tief verwurzelte Rollenbilder. Wieso wird eine Frau beispielsweise entweder als kompetent oder sympathisch wahrgenommen, aber selten als beides? Bei Männern geht das. Wieso ist die Reduktion auf das Äußere bei Frauen eher ein Thema als bei Männern? Möchte eine Frau erfolgreich sein, sollte sie nach Möglichkeit die eierlegende Wollmilchsau sein. Am besten attraktiv, kompetent, Familienmutter und tough. Und sollte sie diese Anforderungen erfüllen, wird sie von den Männern angefeindet. Die Äußerungen Donald Trumps im US-Präsidentschaftswahlkampf sind hier nur die Spitze des Eisbergs.
Fazit: Diesem Druck möchte ich nicht ausgesetzt sein!
Im Fazit schreibe ich wieder ganz aus der männlichen Perspektive. Ich kann nicht einmal annähernd nachvollziehen, welcher gesellschaftliche Druck auf vielen Frauen lastet. Ich möchte keinesfalls mit ihnen tauschen, denn mir wäre es vermutlich zu viel. Das Mindeste, das ich machen kann, ist meine Frau zu unterstützen und traditionelle Rollenbilder für Männer in meinem Umfeld aktiv zu beseitigen. Man wird mich beispielsweise mit dem Kinderwagen im Park sehen. Aber das ist nur ein Beispiel mit Außenwirkung. Die Aufgabe der Politik wäre eigentlich, alles zu unternehmen, damit Frau endlich ohne Gewissensbisse und Einschränkungen erfolgreich sein darf. Wenn wir eine ach so fortschrittliche Gesellschaft sind, in der wir Migrant/-innen erklären, dass die Gleichstellung von Mann und Frau Voraussetzung ist, sollten wir endlich danach handeln und alle Unterschiede beseitigen. Denn mit der Sprache und der Achtung alleine ist es nicht getan …