Vorgestern hat die österreichische Bildungsministerin Sonja Hammerschmid ihre Bildungsreform vorgestellt. Um ein Fazit gleich vorwegzunehmen: Endlich bewegt sich auch im öffentlichen Diskurs etwas. Nach dem Bildungsreförmchen unter ihrer Vorgängerin, scheint dieses Mal zumindest ein etwas größerer Wurf gelungen zu sein. Zwar werden sehr innovative Schulen argumentieren, dass bereits heute vieles umgesetzt ist, aber endlich versucht man, in die Breite zu gehen. Grundsätzlich sehe ich positive Ansätze. Meine Hintergrundinformationen gehen auch in diese Richtung. Dennoch gibt es Kritikpunkte, die das derzeitige Vorhaben wieder systemisch beeinträchtigen könnten. Aber alles der Reihe nach …
Viel Positives!
In der heutigen Zeit stehen alle Politikfelder unter einem enormen Rationalisierungsdruck. So auch die Bildung. Bereits der Rechnungshof und die OECD haben Österreich zu viele Leerläufe attestiert. Daher erscheint es nur logisch, dass jede Bildungsreform eine gewaltige Effizienzsteigerung mit sich bringen muss. Zu der genannten Effizienzsteigerung gehört jedenfalls auch eine administrative Verschlankung, die zu einer Kostensenkung führen soll. Die Direktor/-innen suchen nun offiziell ihre Lehrer/-innen aus und bedenken hierbei pädagogische Schwerpunkte ihrer Schule.
Zwar war es bisher auch so, dass der Landesschulrat nur in wenigen Fällen Lehrer/-innen einer Schule zuteilte, welche die Direktion nicht haben wollte, aber nun ist es auch offiziell. Das bedeutet de facto eine Kompetenzverschiebung in Richtung der Schule. Auch sollte das jeweilige Schulprofil noch akzentuierter dargestellt werden, damit die Eltern eine noch fundiertere Wahl treffen können.
Die Autonomie stärken!
Seit vielen Jahren fordern Pädagoginnen und Pädagogen, die Schulautonomie zu erweitern. Die jeweilige Schule wünscht sich oft Spielräume, die sie bisher nicht hatte. Sei es bei der pädagogischen Schwerpunktsetzung, bei der Festlegung der Klassenschülerhöchstzahlen, bei neuen Unterrichtsmethoden oder dem Zeitmanagement. Das soll jetzt alles einfacher werden. Wie es in der Praxis aussehen wird. bleibt abzuwarten. Aber es ist mehr als positiv, dass dieser Schritt zumindest intendiert wird. Letztlich geht es um die Frage, was bei den Schüler/-innen ankommt. Wenn eine individuellere Pädagogik damit möglich ist, wäre das absolut positiv zu bewerten. Denn starke Schüler/-innen sollen gefordert und schwächere Schüler/-innen gefördert werden.
Kritikpunkt Schulcluster!
Ich teile die Sorgen der Gewerkschaft nicht, dass Lehrer/-innen mehr Zeit auf der Straße als im Klassenzimmer verbringen werden. Gerade in Nebenfächern müssen oft Lehrer/-innen an mehreren Schulen unterrichten, um eine volle Lehrverpflichtung abdecken zu können. An den geplanten Schulclustern stört mich ein anderer Umstand. Es mag vor dem Hintergrund der vielen, vielen Landschulen sinnvoll sein, Cluster aus mehreren Schulen zu bilden, die nur noch eine/n Direktor/-in hat. Verstörend finde ich aber die Regelung, dass nur gleiche Schultypen in einem Cluster zusammengefasst werden dürfen.
Auf diese Weise gelingt die Durchmischung in der Bildungskarriere von Kindern, die oftmals sehr sinnvoll ist, keinesfalls. Wenn ein Kind in der Sekundarstufe I feststellt, es wäre in der Oberstufe besser in einer HTL oder HAK aufgehoben, muss ein Wechsel von der Direktion ermöglicht und nahegelegt werden. Es spräche für die Individualisierung der Bildung, dass die Schüler/-innen ihre persönliche Bildungskarriere wirksam schneidern können. Das wäre natürlich wesentlich einfacher, wenn mehrere Schultypen in einem Cluster zusammengefasst werden. Auch entstünde weniger Streit um die Zahl der Schüler/-innen an den Schulen (Anm. d. Red.: aktives Werben), wenn zeitgleich nur noch der gesamte Cluster für die Schüler/-innen-Zahl ausschlaggebend ist.
Fazit: Schon nahe dran!
Den Versuch einer ernster gemeinten Schulreform kann ich durchaus erkennen. Wenn auch noch ein/e Direktor/-in mehrere Schultypen in ihrem/seinem Cluster vereinte, wäre tatsächlich eine individuelle Durchmischung im Laufe der Bildungskarriere systemisch ermöglicht. Dass das nicht umgesetzt wurde, deutet auf einen beträchtlichen Widerstand der AHS-Lehrergewerkschaft, beziehungsweise ihrem Sprachrohr im Parlament, während der Verhandlungen hin. Dennoch sehe ich die Schulreform als Lebenszeichen. Vielleicht bewegt sich etwas. Aber als gelernter Österreicher gilt es zunächst einmal abzuwarten. Entscheidend ist, wie die Umsetzung an den Schulstandorten erfolgt und, ob die Direktion ihrer Uraufgabe der pädagogischen Exekution wirksam nachgeht …