Am 29. Oktober 2016 findet in Oberösterreich der umstrittene Kongress der „Verteidiger Europas“ statt. Initiiert wurde dieser Kongress von identitären Bewegungen und auf der FPÖ-nahen Website unzensuriert.at wird dieser beworben. Diese Website wurde vom ehemaligen dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf ins Leben gerufen. Die Beiträge, die darauf zu finden sind, erinnern mich an eine andere Zeit. Doch warum haben rechte Organisationen so eine Plattform und bekommen vom oberösterreichischen Landeshauptmann jetzt noch eine Bühne, zumal dieser Kongress in den Räumen des Landes Oberösterreich stattfindet?
Der Graubereich, der keiner mehr ist!
Wenn Vertreter/-innen der Identitären an einer Veranstaltung teilnehmen und sich unter dem Deckmantel des Patriotismus zu geistigen Ergüssen fernab jedes Geschichtsverständnisses und der begabten Vernunft verleiten lassen, schockiert das leider nicht mehr. Wenn aber eine im Nationalrat vertretene Partei diese Veranstaltung auch noch unterstützt und an erster Stelle der „hochkarätigen Referenten“ Generalsekretär Herbert Kickl zu finden ist, darf man sich fragen, wie es die FPÖ tatsächlich mit der Abgrenzung zur Radikalität hält.
Immerhin unterstützt sie indirekt eine Organisation, die am Rande der Illegalität operiert und den Verfassungsschutz regelmäßig bei deren Veranstaltungen auf den Plan ruft. Es ist leicht, auf nicht willkommene Vereine oder Organisationen zu zeigen, aber es dürfte umso schwerer sein, vor der eigenen Türe zu kehren. Jedenfalls wurde auch dieses Mal der Verfassungsschutz für eine Vorab-Prüfung durch Landeshauptmann Pühringer angerufen. Dieser gab von seiner Seite aus grünes Licht, was das Gewaltpotenzial betrifft. Aber politisch hängt die Optik mehr als schief.
Widerstand als Ausdruck einer polarisierten Gesellschaft?
Über 60 Prominente, darunter Künstler/-innen, Schauspieler/-innen und KZ-Überlebende haben mit der Initiative „Linz gegen Rechts“ gegen dieses Treffen mobilisiert. Sie alle unterschrieben gegen diesen Event. Aber egal auf welcher Seite Sie persönlich stehen, Sie werden vermutlich wenig Interesse daran haben, dass sich unsere Gesellschaft spaltet. In unserem Land sollte jede/r ein Interesse daran haben, ein friedliches Miteinander zu gewährleisten. Manche beschweren sich (vielleicht zu Recht), dass viele „neue“ Menschen den sozialen Frieden irritieren. Doch wenn wir es nicht einmal schaffen, miteinander friedlich umzugehen, wie soll das in einem größeren Umfang funktionieren?
Mir wird absolut schlecht, wenn ich beispielsweise auf unzensuriert.at Unwahrheiten ohne die Nennung seriöser Quellen lese. Und wenn es keine Lügen sind, so sind es völlig verquere Interpretationen von Statistiken. Für die Schließung der Staatsgrenzen muss die Gefährdung der öffentlichen Ordnung nachgewiesen werden. Erstens wird die öffentliche Ordnung mit gezielten Falschinformationen von langer Hand in Gefahr gebracht und zweitens könnte ich vermutlich stringent argumentieren, dass die öffentliche Ordnung durch die Polarisierung der Gesellschaft gefährdeter ist, als durch das überschreiten von 37.500 Asylanträgen.
Wenn eine politische Partei Unruhe stiftet!
Was soll eigentlich das Gerede von Sicherheit und Schutz? Was soll das, schwarze Schafe zu bestimmen und gesellschaftlich so lange auf sie zu prügeln, bis es Mainstream wird? Ich persönlich ärgere mich kaum über Menschen, die dieser Strategie auf den Leim gehen, denn eine differenzierte Auseinandersetzung mit der Materie ist zeitintensiv. Aber ich ärgere mich darüber, dass eine politische Organisation ungestraft Unwahrheiten verbreiten darf, die das gesellschaftspolitische Klima vergiften. Dieser Aspekt gilt übrigens in alle politischen Richtungen.
Fazit: Mir fehlen die Worte!
Ich weiß nicht mehr, wie man dem begegnen soll. Ich lebte immer im Glauben, dass unsere Gesetze das gesellschaftliche Miteinander friedlich koordinieren und wir Volksvertreter/-innen hätten, die in diesem Sinne agieren. Doch jetzt wird offenbar der Landeshauptmann von Oberösterreich in die Geiselhaft seines Koalitionspartners genommen und bietet gefährlichen Haltungen für das gesellschaftliche Klima, eine geeignete Bühne. Denn der veritable Skandal ist, dass diese Konferenz in den Räumen der Landesregierung stattfinden wird. Vielleicht sollten nicht nur Gesetze sondern auch der Geist der Rechtsordnung beachtet werden. Wenn eine Partei unter dem Deckmantel des Patriotismus und der Meinungsfreiheit zündelt, ist es nebensächlich, dass formal kein Gesetz gebrochen wurde. Der Schaden ist bereits angerichtet …