In Deutschland kündigte Bundes-Bildungsministerin Johanna Wanka einen „Digitalpakt“ mit den Bundesländern an. Eine Initiative zur digitalen Bildung an den Schulen. Wie dieser Pakt im Detail aussehen wird, ist noch nicht beschlossen. Doch ein prominenter Kritiker digitalisierter Bildung hat sich bereits mit heftigen Aussagen zu Wort gemeldet. Manfred Spitzer, der renommierte Neurowissenschafter hat diese Initiative pauschal als „Verdummungsmaßnahme“ abgestempelt. Trotz des fundamentalen Respekts gegenüber Manfred Spitzer, fragen sich einige Pädagoginnen und Pädagogen, was genau dieser Herr noch nicht ganz verstanden hat.
Digitalisierung ersetzt nicht, sondern erweitert!
In einem Punkt gehe ich mit Manfred Spitzer absolut konform: Gute Bildung steht und fällt mit der Lehrkraft, die sie vermittelt. Deshalb kann ich seine „Verdummungskritik“ umso weniger nachvollziehen. Denn digitalisierte Bildung ersetzt nicht das Denken. Digitalisierung ersetzt keineswegs das Lernen. Ergo können auch keine Denkprozesse umgangen werden.
Bei der Digitalisierung geht es um die Beherrschung eines virtuellen Raums, der aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken ist. Er ist Ursprung multipler Wissensquellen, Arbeitsumfeld und bietet die Möglichkeit der gesellschaftlichen Teilhabe. Ihn zu ignorieren käme der Verneinung unseres sozialen Umfelds gleich. Und den Kindern entsprechende Fertigkeiten nicht mitzugeben, wäre tatsächlich dumm.
Die pädagogische Anwendung entscheidet!
Wie digitale Medien im Lernkontext eingesetzt werden, liegt noch immer in der Verantwortung der jeweiligen Lehrkraft. Durch die Ausgestaltung der Arbeitsaufträge und der jeweiligen Fragestellung wird die Art der Verwendung digitaler Medien bestimmt. Wenn also Manfred Spitzer behauptet, es würde sich um eine „Verdummungsmaßnahme“ handeln, bezeichnet er indirekt die Lehrer/-innen als dumm. Denn offenbar traut er ihnen einen entsprechenden Einsatz digitaler Medien nicht zu. Aus meiner Sicht ist diese Haltung schlicht skandalös.
Sind ihm digitale Quellen fremd?
Es mag sein, dass die Urteilsfähigkeit Spitzers durch seine vielen Vorträge, für die er gutes Geld verlangt, getrübt ist. Hat er zur Erstellung einer Differenzialdiagnose noch nie digitale Quellen bemüht? Wie sieht es mit Daten in den Vorträgen aus? Und um genau diesen dosierten Einsatz geht es! Die Schüler/-innen lernen den entsprechenden Umgang mit digitalen Medien sicher nicht durch die Verteufelung selbiger, sondern durch einen gezielten Einsatz. Und ich glaube, die Lehrer/-innen können schon ganz gut einschätzen, wieviel zumutbar ist.
Fazit: Differenzialdiagnose bitte!
Bevor also reflexartig etwas kritisiert wird, um Bücher und Vorträge zu verkaufen, empfiehlt es sich, genauer hinzusehen und Chancen zu erkennen. Denn die Umsetzung ist entscheidend, nicht die Technik. Die Technik alleine verblödet noch nicht die Menschen. Das machen wir schon selbst. Vor allem wenn wir nicht wissen, wie wir damit umzugehen haben. Niemand würde einen Berg barfüßig besteigen und empfiehlt hinterher, Wandern generell zu vermeiden, weil es zu gefährlich und die Sturzgefahr zu hoch ist. Es ist doch besser, unseren Kindern im übertragenen Sinn entsprechende Bergschuhe zu geben, bevor wir den Berg verteufeln. Oder sehe ich das falsch? Dieses Schwarz-Weiß-Denken ist, pädagogisch gesehen, gefährlich …