Die Idee zu diesem Artikel entstand während einer Diskussion. Die Frage ist einfach: Ist unser Bildungssystem wirklich finanziell frei? Wo wird die Grenze gezogen, ab der materielle Beiträge für Eltern nicht mehr tragbar sind? Doch bevor wir eine Beantwortung dieser Frage versuchen, müssen wir die Bildung im humanistischen Sinn von der Ausbildung trennen. Welche Aufgabe hat Bildung im Sinne der gesellschaftlichen Teilhabe zu erfüllen und wie sieht es mit der sozialen Inklusion ökonomisch schwächerer Mitglieder/-innen unserer Gesellschaft aus? Ein faires Bildungssystem sollte diese Unterschiede eigentlich ausgleichen. Aber auch wenn Innovationen privat finanziert werden müssen, scheint das noch immer besser zu sein, als keine Innovationen voranzutreiben.
Definition von Bildung!
Damit wir wissen, wovon wir sprechen, müssen wir die allgemeine Bildung zunächst definieren. Bildung im humanistischen Sinn ist die Vermittlung von Basiskompetenzen, kulturellen Fertigkeiten und der Fähigkeit, kritisch zu denken. Die andere Seite der gleichen Medaille wäre die Ausbildung, die auf eine berufsspezifische Schulung zielt und entweder im tertiären Bereich oder in der Sekundarstufe II angesiedelt ist. Üblicherweise ist sie mit einem Return of Invest - oft in der jeweiligen Firma - versehen. Ich spreche von der humanistischen Bildung, die kritisches Denken als Gegenkonzept der Uniformierung lebt.
Freie Bildung?
Der Zugang zu und die gesellschaftliche Teilhabe an der Bildung sind frei. Dieses Prinzip gilt in Österreich nach wie vor - theoretisch. Das bedeutet, dass die Teilhabe und Bildungsmöglichkeiten kostenfrei sind. Aber es gibt nicht unwesentliche „Nebenkosten“ die so nebensächlich gar nicht mehr sind und gegen die ich - das sei hier explizit nochmals erwähnt - persönlich votiere. Eines der reichsten Länder der Welt muss den Fokus derart auf die Bildung legen, dass diese Kosten von der öffentlichen Hand gestemmt werden und auf diesem Wege eine qualitativ hochwertige Bildung für alle ermöglicht wird. Das ist umso wichtiger, zumal 19,2 Prozent der Österreichischen Bevölkerung armuts- und ausgrenzungsgefährdet sind.
Die Nebenkosten!
Die „Nebenkosten“, die nicht so nebensächlich sind, belasten das Schulklima und erschweren die soziale Inklusion besonders in strukturschwächeren Gegenden, aber nicht nur dort. Ein Schulausflug hier, eine Exkursion da, ein zusätzliches Buch hier oder zusätzliche Materialien da. Aber auch bestimmte Kleidungsmarken, die Kindern ein bestimmtes Zugehörigkeitsgefühl vermitteln, ein neues Smartphone oder coole Kopfhörer wollen angeschafft werden. Und dieser Gruppenzwang besteht nicht nur unter den Schüler/-innen. Auch Eltern „matchen“ sich bereits im Kindergarten mit pompösen Geburtstagsfeiern.
Ich kann mich noch gut an meine Schulzeit erinnern. Über Jahre hinweg habe ich mich fehl am Platz gefühlt. Meine Eltern sparten für eine teure Schule und aufgrund der Tatsache, dass ich mit elf Jahren keine Markenkleidung trug, wurde ich gemobbt. Ausflüge und Exkursionen kamen natürlich noch dazu. Diese „Nebenkosten“ kalkulieren viele nicht ein - auch die Politik nicht - und auf die Psyche der Kinder kann das einen negativen Effekt haben. Natürlich muss man da nicht mitmachen, aber traurig stimmt es mich dennoch. Sind materielle Werte wirklich jene, die wir vermitteln wollen?
Fazit: Soziale Inklusion vs. Innovation?
Solange diese „Nebenkosten“ von uns Eltern getragen werden müssen, kann die freie Bildung fast als Lüge bezeichnet werden. Bildungsinnovationen werden somit immer in ökonomisch „stärkeren“ Gegenden ausprobiert und umgesetzt, weil die öffentliche Hand Neues nicht stemmen will. Aber auch wenn Innovationen privat angetrieben werden müssen, ist das noch immer besser als keine Innovationen. Das stimmt mich mehr als nachdenklich, um nicht zu sagen, es verdreht mir den Magen. Idealistisch betrachtet, ist dieser Zustand nicht annehmbar. Eine Lösung: Man könnte bei den Schulbüchern erheblich einsparen, nachdem sowieso alle Ressourcen online zur Verfügung stehen (Anm. d. Red. auf Plattformen wie LRE, Scientix oder PHET). 20 Prozent des Schulbuch-Geldes kann umgelegt werden. Das würde den aktuellen Gesetzesbestimmungen entsprechen. Die Sinnhaftigkeit muss natürlich im Einzelfall geprüft werden, aber es wäre ein Beginn …