Gestern bin ich über einen sehr interessanten Artikel in der Süddeutschen Zeitung gestolpert. Demzufolge sprechen sich 69 Prozent der Eltern in unserem Nachbarland für einen Ersatz des Religions- durch einen Werteunterricht aus. In Ostdeutschland sind es sogar 81 Prozent der Eltern, die den Religionsunterricht in seiner derzeitigen Form für antiquiert halten. Auch in Österreich sollte dieses Thema einmal fernab ideologischer Grabenkämpfe diskutiert werden. Zeit wäre es. Hier ein paar Argumente, die in meine persönlichen Überlegungen eingeflossen sind.
Religionskonflikte bringen Werte in Gefahr!
Der heilige Krieg der Islamisten - der Jihad - und die Flüchtlingsbewegungen der letzten 1,5 Jahre brachten uns an einen Rand eines „Cultural Clash“, wobei ich die Verantwortung hier mindestens bleichverteilt und nicht nur in Reihen der Migrant/-innen sehe. Natürlich treffen hier verschiedene Kulturen aufeinander und das friedliche Miteinander wird auf die Probe gestellt. In diesem Zusammenhang höre ich immer wieder, dass die Werte der verschiedenen Gruppen stark divergieren und damit eine erfolgreiche Integration erschwert wird.
Der traditionelle Religionsunterricht stößt in der heutigen Realität an seine Grenzen. Denn er vermittelt a priori Glauben und nicht Werte. Wenn Werte vermittelt werden, dann eher dogmatisch. Der traditionelle Religionsunterricht hat noch ein systemisches Problem: Gemäß des Gleichheitsgrundsatzes in der Verfassung sind alle Glaubenskongregationen gleich zu behandeln. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass auch der Religionsunterricht davon betroffen ist. Kommen mehr Muslime, Hindus oder Angehörige sonstiger Religionen nach Österreich, bedarf es auch mehr Religionslehrer/-innen in diesen Bereichen und das fördert die Isolation.
Werte der Aufklärung weit wichtiger!
Oft habe ich es erwähnt und in diesem Zusammenhang wiederhole ich mich: Europa ist zuallererst der Aufklärung verpflichtet! Jahrhunderte der Religionskriege (Anm. d. Red.: Protestanten gegen Katholiken, Kreuzzüge, Hexenverbrennungen, Inquisition, etc.) wurden in der Aufklärung zu einem intellektuellen Ende gebracht. Historisch hat Religion mit der Aufklärung nichts zu tun. Die Religion hat die Aufklärung stets bekämpft und die Religion hat die Aufklärung so wach verschlafen, wie Österreich seine Vergangenheitsbewältigung nach dem Zeiten Weltkrieg.
Werte- statt Religionsunterricht!
In der Bearbeitung einer wissenschaftlichen Fragestellung muss das Ergebnis offen sein. Das bedeutet wissenschaftlich zu arbeiten. Ergebnisoffen, kritisch und reflektiert. Das ist letztlich ein Ziel der Bildung. Doch Religion und daher auch der Religionsunterricht ist alles andere als ergebnisoffen. Es besteht sogar die Tendenz der Dogmatisierung. Die Werte der Aufklärung hinterfragen sich stets, Religion nie. Die Werte der Aufklärung entwickeln sich und werden durch moralische Verpflichtungen gestärkt. Jene Werte lassen uns eigenverantwortlich handeln und zwingen uns nicht in ein Korsett von Dogmen. In der Entwicklung eigenverantwortlicher und selbstständiger Erwachsener bremst daher der Religionsunterricht eher.
Fazit: Zeit, im 21. Jahrhundert anzukommen!
Ich kritisiere keineswegs den Glauben. Der ist jeder/m unbenommen. Ich verurteile auch keine Kirchengänger/-innen und schätze die Werte vieler. Doch ich gebe zu bedenken, dass der Religionsunterricht von heute auf dem Konkordat von 1933 (Anm. d. Red.: Ratifiziert 1934) basiert. Wir sind uns alle einig, dass das eine andere Zeit war, an die wir uns nicht so gerne erinnern und die vor allem nicht durch übermäßige Menschlichkeit und Aufklärung in Erinnerung geblieben ist. Der römisch katholische Religionsunterricht hätte heute nicht den Stellenwert ohne dieses Konkordat. Vielleicht wären wir ohne dieses gesellschaftlich wirklich weiter. Vielleicht sind die Werte der Aufklärung dann jene, die wir hochhalten sollten - auch gegenüber Einwander/-innen und nicht das unerträgliche Geschwätz des christlichen Abendlandes …