Vor kurzem hat die Bertelsmann-Stiftung eine Umfrage unter 4.000 deutschen Eltern veröffentlicht. Die Frage lautete, wie groß die Zufriedenheit mit Ganztags- bzw. Halbtagsschulen ist. Mit einem Sample von 4.000 Befragten ist die Umfrage repräsentativ und Rückschlüsse auf Österreich sind teilweise legitim - vielleicht nicht in Bezug auf die Zahlen, aber in Bezug auf die Grundtendenzen. Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass die Zufriedenheit weit höher liegt als bisher gedacht und die wahre Wahlmöglichkeit zwischen Bildungsangeboten erst besteht, wenn flächendeckende Angebote für Ganztagsschulen vorhanden sind.
Die Ergebnisse zusammengefasst!
66 Prozent der Eltern sind mit der Ganztagsschule rundum zufrieden. Besonders im Umgang der Lehrer/-innen mit der Mehrsprachigkeit der Kinder bestechen Ganztagsschulen. Dies mag daran liegen, dass die Lehrer/-innen mehr Zeit mit den Schüler/-innen verbringen müssen. Der Vergleichswert bei Halbtagsschulen liegt bei gerade einmal 54 Prozent. Ausschlaggebend für eine wesentlich positivere Bewertung der Ganztagsschule im Vergleich zum Halbtagspendant sind die Möglichkeiten der Förderung für Schüler/-innen. Entweder, um Leistungsdefizite auszugleichen, oder Talente besonders zu fördern.
Die besondere Funktion der Ganztagsschule!
Das politische Ziel einer guten Kinderbetreuung ist der erleichterte Wiedereinstieg für die Mütter in den Arbeitsmarkt. In Regionen mit einem löchrigen Angebot an Ganztagsschulen kann dieser Aspekt volkswirtschaftlich relevant sein, nachdem Teilzeitarbeit eines Elternteils die einzig realistische Lösung zu sein scheint. Das führt aber zu geringeren Pensionen und zur Gefahr der Altersarmut. Aber auch pädagogisch sind Ganztagsschulen mehr als sinnvoll, zumal sie weit mehr Möglichkeiten bieten.
In einer Ganztagsschule besteht die Möglichkeit, einen verschränkten Unterricht effektiv zu implementieren. Das ermöglicht eine sinnvollere Balance zwischen Ruhe- und Lernphasen und schafft entsprechende Spielräume für Förderungen der Schüler/-innen. Der Bedarf an Nachhilfe wird durch eine organisierte Ganztagsschule zwar nicht obsolet, aber deutlich reduziert.
Aber: Eine Ganztagsschule ersetzt nicht!
Wichtig in dieser Debatte ist herauszustreichen, dass eine Ganztagsschule die Eltern keinesfalls aus der erzieherischen Verantwortung entlässt. Natürlich verbringen die Schüler/-innen dann signifikant mehr Zeit in der Schule und die Einflüsse, die auf sie wirken, sind vielfältig. Aber jenen, die die Halbtagsschule deswegen propagieren, sei gesagt, dass es in der heutigen Zeit und im heutigen Arbeitsmarkt unrealistisch ist, dass ein Elternteil zu Hause bleiben kann. Die Basis der Erziehung muss nach wie vor von den Eltern gelegt werden. Ein respektvoller Umgang, sozial verträgliches Benehmen und die grundsätzliche Einstellung werden noch immer im Elternhaus vor allem durch Vorbildwirkung gelehrt.
Fazit: Lernt das österreichische Bildungssystem?
Mal wieder kann das österreichische Schulsystem von internationalen Beispielen lernen. Dieses Mal von unseren deutschen Nachbarn, die vor allem die Haltung der Eltern untersuchten. Das ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass die Meinung aller Beteiligten des Bildungssystems relevant ist. Gut umgesetzte Ganztagsschulen bergen enorme Chancen für die Entwicklung der Schüler/-innen in Hinblick auf Leistungsdefizite und Talente und für Eltern in Hinblick auf ein flexibleres Zeitmanagement im Job. Natürlich interessieren mich vorrangig die Chancen für die Schüler/-innen. Hier ist vor allem die Entkrampfung des Schulalltags durch eine Dehnung des Unterrichtsangebots über den gesamten Tag besonders interessant. Die Aufnahme von Lerninhalten erfolgt über einen längeren Zeitraum nachhaltiger und zeitgleich werden genügend Zeitreserven geschaffen, um den Förderbedarf abzudecken. Vielleicht machen Ganztagsschulen im wörtlichen Sinn Schule …