Speziell seit der letzten Stichwahl zur Bundespräsidentschaft und deren Nachwirkungen werden wir im Ausland vielleicht sogar zurecht als Bananenrepublik bezeichnet. Als moderne Demokratie sind wir nicht einmal imstande, eine Wahl ordnungsgemäß durchzuführen. Aber was jetzt passiert, könnten selbst die Schildbürger nicht erfinden. Es scheint Wahlkarten zu geben, die sich von selbst öffnen, weil der Kleber streikt und das Innenministerium ruft auf seiner Hotline indirekt zum Wahlbetrug auf, indem die Verwendung eines UHU-Sticks empfohlen wird. Blamieren wir uns jetzt endgültig und wäre das nicht ganz leicht zu vermeiden gewesen?
1. Ein überforderter Klebstoff?
Offenbar war selbst der Klebstoff auf den Kuverts der Wahlkarten vom Urteil des Verfassungsgerichtshofs zur Neuaustragung überrascht. Zur Erinnerung: Gemäß dem Text der Verfassung (Anmerkung: Art. 141) widerspricht das Urteil des VfGH diesem. Aber dazu später. Der Kleber hält nicht und verweigert seinen Dienst. Ich frage mich, welche nicht ausgeklügelte Rezeptur hierfür verantwortlich ist und wie der österreichische Staat auf die Idee kommt, die verantwortliche Firma zu beauftragen. Es geht darum, ein demokratisches Grundrecht zu exekutieren. Jedes Kindergartenkind mit einem UHU in der Hand bekommt das hin.
2. Verzicht auf Briefwahl ist antidemokratisch!
Jetzt werden sie wieder laut. Jene Stimmen in Reihen der FPÖ, die am liebsten die Briefwahl abschaffen wollen. Hier entlarvt sich deren Geisteshaltung, denn diese widerspricht der Demokratie und ihren erkämpften Rechten. Wenn ich eine Wahl anfechte, muss ich damit leben, dass sie unter gleichen Spielregeln wieder stattfindet. Bloß, weil die FPÖ unter den Briefwähler/-innen unterrepräsentiert ist, soll sie abgeschafft werden? Eine Demokratie à la Carte gibt es nicht.
3. Die Geister, die wir riefen … !
Kommen wir jetzt zum VfGH: Mit seinem Urteil hat er den verfassungsrechtlichen Spielraum überschritten. Aus gutem Grund hat der Verfassungsgeber, also wir, im Artikel 141 festgehalten, dass Unregelmäßigkeiten festgestellt werden müssen und sie einen Einfluss auf das Ergebnis hatten. Kein Konjunktiv mit „die frühzeitige Öffnung hätte einen Einfluss haben können“! Gibt es Hinweise auf Manipulation, sind diesen der Verfassung entsprechend nachzugehen. Im Zweifelsfall also länger untersuchen und anschließend eine Entscheidung fällen.
Denn anders als im Urteil von 1927 (Anmerkung: Eine Bundeswahl wurde wegen Unregelmäßigkeiten aufgehoben) ist auch das Wahlgesetz im Verfassungsrang und daher vom VfGH auszulegen und nicht zu interpretieren. Doch durch diesen konjunktivischen Urteilsspruch sind künftigen Wahlanfechtungen Tür und Tor geöffnet. Deshalb muss gemäß der Verfassung jeder Unregelmäßigkeit nachgegangen werden, bevor eine Entscheidung getroffen wird, damit so eine Situation wie jetzt nicht passiert.
Fazit: Geht wählen und kämpft um die Demokratie!
Eines wird im Zuge dieser Anfechtungs-Posse überdeutlich: Nicht der Verfassungsgerichtshof, sondern wir, die Wähler/-innen, schützen die Demokratie. Wie? Am besten, indem wir wählen gehen. Jenen Bürger/-innen, die nicht wählen gehen, weil sie genug davon haben, das geringere Übel zu wählen, sei folgendes ins Stammbuch geschrieben: Durch ihr Fernbleiben unterstützen sie das größere Übel. So viel zu unserer demokratischen Verantwortung …