Positiv verstärkte Erziehung!

Lautsprecher-Symbol
Quelle: https://pixabay.com/de/auto-lautsprecher-ton-symbol-1042642/, 23.08.2016

Verhaltenspsychologisch ist dieses Phänomen längst bekannt. Die positive Verstärkung wird oft als gewollte Maßnahme der Erziehung von Kindern oder Tieren verwendet. Bei der Erziehung von Kindern - und das ist wesentlich - wird dieser Vorgang aber viel öfter ungewollt vollzogen und wird damit zur Quelle vieler Spannungen in Familienstrukturen als uns bewusst ist. Was mit positiver Verstärkung genau gemeint ist und welche Effekte sie auf den Umgang mit unseren Jüngsten hat, möchte ich in diesem Artikel kurz beleuchten. Vielleicht regen Sie diese Überlegungen an …

Definition der positiven Verstärkung!

„Man spricht von positiver Verstärkung, wenn auf ein Verhalten ein Ereignis in der Umwelt des Organismus folgt und die Auftretenswahrscheinlichkeit dieses Verhaltens daraufhin ansteigt. Das Ereignis in der Umwelt des Organismus wird als positiver Verstärker bezeichnet.“ (Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Verstärkung_(Psychologie)#Positive_Verst.C3.A4rkung, 22.08.2016)

Hier ist besonders die Unterscheidung zwischen Aktion und Reaktion wichtig. Kinder legen ein bestimmtes Verhalten an den Tag - z.B. im Klassenzimmer oder zuhause - und durch Reaktionen der Lehrer/-innen oder Eltern wird dieses Verhalten positiv verstärkt. Das bedeutet, dass dem Kind signalisiert wird: Dein Verhalten ist erwünscht und kommt gut an.

Das kann aber auch bedeuten, dass ein bestimmtes Fehlverhalten positiv verstärkt wird. Wenn beispielsweise ein Störenfried Unruhe in der Klasse auslöst und damit Gelächter und Zuspruch seiner Mitschüler/-innen erntet, findet positive Verstärkung statt. Wenn ein Kind zuhause gegen eine Regel verstößt und auf Ermahnung der Eltern weint, diese sie aber daraufhin trösten und ihr Schokolade geben, wird ebenfalls ein negatives Verhalten positiv verstärkt. An beiden Orten, dem Klassenzimmer und dem Elternhaus, ist die Verzweiflung groß, weil nicht genau eingeschätzt wird, warum ein negatives Verhalten noch immer an den Tag gelegt wird.

Vielschichtige Effekte!

Der Effekt der positiven Verstärkung ist nicht nur positiv. Zwar können gewollte Verhaltensmuster beispielsweise mit einer Belohnung verstärkt werden, damit sie häufiger auftreten. Gute Noten für Schularbeiten, Belohnungen von zuhause aus und Lob. Aber ebenso können negative Verhaltensmuster ungewollt verstärkt werden und manifestieren sich damit im Verhalten unserer Jüngsten. Die soziale Dynamik einer Klasse ist durch positive Verstärkungen geprägt, indem der Klassenverband Zuspruch für aufmüpfiges Verhalten der Lehrkraft gegenüber signalisiert. Damit wird das negative Verhalten in der Sozialdynamik der Klasse manifestiert. Die Lehrer/-innen können oft damit nicht mehr umgehen. Auch zuhause kann der Schuss nach hinten losgehen. Ein Kind kehrt geplagt von Selbstzweifeln am Abend aus der Schule zurück.

Es wäre gehänselt worden und wurde Opfer von Bullying. Die Eltern fragen, was gesagt wurde und antworten: „Aber manchmal bist du schon so.“ Die Haltung, Selbstzweifel an den Tag zu legen wurde hier zum falschen Zeitpunkt verstärkt und macht aus einer Rückzugshaltung heraus das Kind zu einem Außenseiter. Es wurde signalisiert, dass die permanenten Selbstzweifel und die depressive Haltung gut wären. Die Eltern wollten hier nur konstruktiv sein, haben aber destruktiv zur Konfliktlösung beigetragen. Das gleiche Statement der Eltern hätte einen anderen Effekt, wenn das Kind aus einer konstruktiven Haltung der Kritikannahme selbst nachfragt. Der Zeitpunkt entscheidet also.

Fazit: Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht!

Wenn es darum geht, positive Verstärker einzusetzen, genügt es im Alltag oft, diese einfach nur zu erkennen. Hierfür ist es wichtig, dass die Eltern über diesen Mechanismus Bescheid wissen. Man kennt das Prinzip der Belohnung, vergisst aber, dass auch ein negatives Verhalten durch Reaktionen der Umwelt verstärkt werden können. Wenn Sie als Lehrer/-in das nächste Mal mit einem auffälligen Verhalten einer Schülerin/eines Schülers konfrontiert sind, hinterfragen sie die Sozialdynamik einer Klasse, bevor sie voreilig reagieren. Wenn Sie sich als Elternteil wundern, warum ihr Kind weiter konsequent das angesprochene Fehlverhalten an den Tag legt, könnte es sein, dass es anderorts positiv verstärkt wird. Diese Mechanismen zu durchschauen, trägt ungemein zum Verständnis der Effekte unseres Erziehungsstils bei …